"Verdi will keine Ruhe geben

Rund 200 Beschäftigte der städtischen Betriebe und der Verwaltung haben gestern gestreikt. Vier Stunden lang fuhren bis auf wenige Ausnahmen keine Linienbusse. Die Fährverbindung Konstanz-Meersburg wurde zwei Stunden lang blockiert. Die Fahrgäste nahmen den Streik relativ gelassen.

Für Cengeiz Tetzer ist es keine Frage, am Streik teilzunehmen. Seit 13 Jahren arbeitet er bei der Grünpflege der Technischen Betriebe (TBK). 1500 Euro bringt er heim, dazu das Kindergeld für seine fünf und 13 Jahre alten Kinder. "Es ist ganz schön knapp für meine Familie", sagt er. Bei 500 Euro Kaltmiete, Fixkosten für den Kindergarten und das Essen in der Ganztagsschule muss er jeden Monat genau rechnen. Zudem möchte er seinen Kindern unbedingt die Möglichkeit geben, in Vereinen tätig zu sein.

Es geht vielen, die sich an der Fähre versammelt haben, ähnlich. Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Alles wird teurer" und "Gute Leute. Gute Arbeit. Gutes Geld". Das Hallo ist groß, als zwei Fahrer der Entsorgungsbetriebe (EBK) kurz nach neun ihre großen Sattelschlepper vor die Fährebrücke fahren und die Container direkt vor dem Eingang abladen: Der Zugang ist nun blockiert. Von 9 bis 11 Uhr verlässt keine Fähre den Hafen. Große Verkehrsbehinderungen habe es dennoch nicht gegeben, sagt die Polizei später. Stadtwerke-Sprecherin Carolin Winkler berichtet von "einer Hand voll Beschwerden".

Die Busfahrer haben sich schon in den frühen Morgenstunden geschlossen am Warnstreik beteiligt, von 4.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Nun füllen Müllwagen und Kehrmaschinen den Fähreplatz. Ein Großteil der Beschäftigten von EBK und TBK beteiligt sich. 50 bis 60 Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind ebenfalls gekommen.

Der Streik hat sich herumgesprochen. Frühmorgens unterhalten sich zwei Studentinnen auf der Fähre: Ob denn das Schiff nun mitten auf dem See halten wird, weil der Kapitän streikt? Soweit kommt es nicht, aber die Szene zeigt, wie gelassen viele mit dem Warnstreik umgehen. Nur wenige Autofahrer, meist mit Schweizer Kennzeichen am Wagen, fahren zur Fähre. Sie drehen aber schnell wieder ab, als sie die Blockade vor den Schiffen sehen. Zwei Brummis stehen auf den Wartespuren. Frank Rosenkranz aus Ravensburg ist extra frühmorgens losgefahren, um seine Ladung rechtzeitig über den See zu bringen. Nun ist er bereits auf dem Rückweg und wartet geduldig. Ob er nicht um den See fahren will? "Nein, das ist mir zu weit." Es sei das gute Recht der Beschäftigten zu streiken.

Die Gewerkschaft Verdi fordert acht Prozent mehr Lohn. Man werde keine Ruhe geben bis ein akzeptables Ergebnis vorliege, verspricht Bezirkssekretär Berthold Maier. Die Beschäftigten müssten mit Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie von bis zu zehn Prozent leben. Die Nettolöhne seien aber seit 1992 nicht mehr gestiegen. Zudem erinnert er an die Diäten-Erhöhung der Bundestags-Abgeordneten - großes Gejohle und Applaus.

(Josef Siebler/Südkurier v. 23.02.08)

 

"Die Streikerei nervt ganz schön"

Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst haben gestern den Fährbetrieb zwischen Meersburg und Konstanz zeitweise lahm gelegt. Von 9 bis 11 Uhr mussten Autofahrer eine Zwangspause einlegen oder den Umweg über Land akzeptieren. Die Streikenden sprachen von großer Akzeptanz bei den Autofahrern. Die aber murrten.

Viele Autofahrer haben offensichtlich frühzeitig Wind vom Arbeitskampf der Fährleute bekommen. Denn gestern Vormittag gegen zehn Uhr warteten lediglich 20 Fahrzeuge darauf, dass die Streikposten die Verdi-Fahnen einrollen und ihren Dienst an Bord der Fähren wieder aufnehmen.

"Die Streikerei nervt ganz schön", beschwert sich ein Geschäftsmann, der gezwungen ist, in seinem großen BMW Zeitung zu lesen, anstatt auf wichtigen Meetings in Konstanz zu sitzen. "Das kostet Geld." Und da ein Streik nunmal höhere Gewalt sei, könne er den entstehenden Schaden durch die Warterei auch niemandem aufs Auge drücken. "Da bleib" ich drauf sitzen."

"Wir wollen acht Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro", fordert Karl-Heinz Frank, Gewerkschaftssekretär von Verdi. "Die Zeit ist dringend reif", stellt er fest. Die letzte Tariferhöhung liege vier Jahre zurück - die Preissteigerung bei Energie und Lebensmitteln habe seit dieser Zeit riesige Sprünge gemacht.

Seine Kollegin vom DGB, Antje Trosien, steckt einem Autofahrer zwei Handzettel zu, auf denen die Gründe für den Streik zu lesen sind, zum Beispiel dass der Einstiegslohn für Anfänger im Fahrdienst lediglich 1200 Euro netto betrage. "Hier geht es um existenzielle Fragen", glaubt die Gewerkschafterin und ist fest davon überzeugt, dass die Bevölkerung Verständnis für den Ausstand habe. "Die Stimmung bei den Kollegen ist super."

Die Kollegen, von denen da die Rede ist, stehen vor zwei leeren Fähren und sind in der Tat guter Laune. Wenn sie zu ihren Forderungen befragt werden, verschwinden die fröhlichen Gesichter allerdings. Sie ziehen die Köpfe ein. Was ist das Verhandlungsziel? - keine Antwort. Mit welchem Lohnniveau wären sie zufrieden? - kein Kommentar. "Wir haben einen Maulkorb von unseren Chefs bekommen", gibt einer schließlich hinter vorgehaltener Hand zu. Allerdings nicht nur zu Streikzeiten - sondern das sei generell so.

Zu schnell zum Streik gegriffen?

"Ich kann grundsätzlich schon verstehen, dass den Leuten das Geld fehlt und sie deshalb streiken. Aber ich finde es nicht richtig, dass man vorher kaum verhandelt hat", klagt ein Herr in seinem Auto, der schon fast zwei Stunden Zwangspause vor der Fähre hat. Auch eine ältere Dame zeigt für die Forderung Verständnis - "nicht aber die Art, wie gleich mit Streik und Drohungen gearbeitet wird".

Als sich schließlich die Sonne blicken lässt, schlüpfen auch die Wartenden aus ihren Autos. Eine Frau meint: "Das ist doch schön: Leute treten für ihre Rechte als Arbeitnehmer ein und die Sonne lacht dazu." Sie bleibt an diesem Morgen allerdings die einzige unter den Befragten, die den Streik ohne kritische Worte gut heißt.

(Schwäbische Zeitung v. 23.02.08)

 

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