Ob die Bodenseeflotte
verkauft wird oder nicht, verfolgt Albert Hug nicht mehr mit. Aber er weiß zu
berichten, warum er
Alles weiß der
97-jährige Albert Hug nicht mehr – es ist auch schon lange her. Doch einige
Erlebnisse hat er noch klar vor Augen, und die kann er erzählen, wie wenn sie
sich gestern ereignet hätten.
«Ich bin 1930 zur
Schifffahrt gekommen und habe zuerst in der Werft gearbeitet», berichtet Albert
Hug. Er habe Güterwagen mit Orangen aus Spanien oder Schlachtvieh aus Ungarn
auf den Kähnen überführt. Und anstatt Autos seien früher nur Eisenbahnwagen
über den See transportiert worden, sechs bis acht hätten auf den Kähnen Platz
gehabt. Später sei er Matrose gewesen und habe das Schiff geputzt. «Beim
Fensterputzen ist mir mal ein
Während des
Krieges war die Schifffahrt eingestellt, so arbeitete Albert Hug in Sulgen auf
der Station. «Doch das hat mir nicht gefallen. Nach dem Krieg wollte ich wieder
zurück zur See.» Später stieg er auf zum Untersteuermann und dann zum
Steuermann. «Nur Heizer war ich nie, das war mir zu heiß», schmunzelt er. Um
1958 erlebte er die erste Autofähre, 1963 die Seegfrörni. In jenem Winter
seien viele Bronzeschrauben kaputt gegangen. «Das Eis kam in die Schraube und
schlug die Schraubenblätter kaputt.» Ein Winter setzte auch Albert Hug zu: Er
erinnert sich genau, wie er ins eiskalte Hafenwasser fiel: «Ich hätte einen
Steg herausgeben sollen, doch alles war gefroren, und ich rutschte aus und
landete im Wasser. Der Maschinist hat mir zugerufen, wie ich wieder herauskomme,
denn ich war schon fast nicht mehr bei Sinnen.» Danach sei er einige Wochen erkältet
zu Hause gewesen.
Raddampfer und später
Motorschiffe, Albert Hug ist sie beide gerne gefahren. Die Motorschiffe seien
ruhiger zu steuern gewesen, weiß er zu berichten. Dafür habe man sich mit den
Dampfern einen kleinen Spaß erlauben können, meint er verschmitzt. Und wer in
die Augen des 97-Jährigen blickt, sieht den Lausbuben von einst vor sich: «Die
Dampfer hatten einen höheren Wellengang. Manchmal, wenn es Zuschauer beim
Hafenglöggli gab, haben wir im Hafen Vollgas gegeben, und die Zuschauer nahmen
die Beine hoch, doch sie sind trotzdem alle nass geworden, erinnert sich Hug: «Und
wir an Bord hatten etwas zu lachen». Und für einen Moment scheint es, als sehe
man die nassen Leute vor sich . . .
Wie hat Albert Hug
früher bei dichtem Nebel ohne Radargerät oder Funk den Weg von Romanshorn nach
Friedrichshafen gefunden? – «Ja, das ist eine Kunst gewesen», schmunzelt er.
Sie hätten zurückgegriffen auf Berechnungen einer Fahrt bei guter Sicht. Da
seien sie einmal hinausgefahren «bis zu dem Punkt im See, wo der Kamin der
Zuckerfabrik in Egnach und der Kirchturm in Steinebrunn genau hintereinander
lagen». Bei diesem Punkt habe man abgedreht in Richtung Friedrichshafen. Auch
die Tourenzahl und alle weiteren Daten hätten sie genau notiert. Einmal sei ein
Schiff auf dem See verloren gegangen. Es gab noch keinen Funk auf dem Schiff –
also riefen die Friedrichshafener nach Romanshorn an, weil das Schiff überfällig
war. «Da sind wir es mit einem anderen Schiff suchen gegangen. Zwischen dem
Seerauch ist es dann vor Friedrichshafen aufgetaucht.»
Heute sind kaum
mehr als drei Leute auf einer Fähre. Das wäre früher nicht möglich gewesen.
Neun Mann Besatzung hatte es auf den Raddampfern: zwei Heizer, einen
Maschinisten, einen Bug- und einen Heckmatrosen, den Kassier, den
Untersteuermann, den Steuermann und den Kapitän.
(St. Galler
Tagblatt v. 18.10.05)