Lindau
und Konstanz streiten sich um den Lindauer Hafen. Das nimmt die LZ zum Anlass,
einen Blick in dessen Geschichte zu werfen. Und da gibt es einiges zu entdecken.
In der letzen Folge geht es heute um die Beschäftigten der Trajektanstalt: Die
sorgten von 1869 bis 1939 dafür, dass täglich Eisenbahnwaggons per Schiff von
Lindau nach Romanshorn transportiert wurden, gelegentlich auch nach Konstanz.
Dies
waren beispielsweise im Jahre 1923 rund 16 000 und im Jahr 1931 rund 21 000
Waggons samt Fracht. Doch auch so manch außergewöhnliches Hafenereignis hing
mit dieser Schnittstelle zwischen Schienen- und Wasserverkehr an der
Leuchtturmmole zusammen.
So
wurde in der Nacht des 21. Juli 1905 im damaligen Oberreitnauer Bahnhofsgelände
ein Güterzug rangiert. Da es noch keine Knorr-Luftdruckbremsen für Güterwaggons
gab und jeder Wagon einzeln von Hand gebremst werden musste, konnten sich in
jener Nacht in einem unachtsamen Augenblick von dort aus 14 Waggons selbstständig
machen. Mit zunehmendem Tempo ging es Richtung Lindau. Teilweise sprangen
Radachsen aus der Spur und wurden bei der nächsten Schienenweiche wieder
hereingerissen. Im Lindauer Inselbahnhof konnten gerade noch rechtzeitig die
Weichen so gestellt werden, dass die Waggons über die Trajektanstalt und das
dort ankernde Trajektschiff geleitet werden konnten. Zwei Waggons wurden zertrümmert,
vier überschlugen sich in das Hafenbecken, einer blieb an der Trajektbrücke hängen,
und der Rest entgleiste in der Kurve südlich der heutigen Eilguthalle. Die
mitgeführten Zuckersäcke in den im Hafenbecken gelandeten Waggons verwandelten
den Lindauer Hafen nun in ein tatsächliches Süßwasserbecken.
Januar
und Februar 1929 ließen mit wochenlangen Temperaturen bis zu minus 20 Grad
Celsius fast den kompletten See zufrieren. Am 13. Februar wurde der
Schiffsbetrieb eingestellt. Am Tag darauf trieben von Hard kommend acht Menschen
auf einer riesigen Eisscholle am Lindauer Hafen vorbei. Am nächsten Morgen
konnten bei Wasserburg nur fünf vor dem Tod gerettet werden.
Steuermann
gerade noch gerettet
Anfang
März stiegen die Temperaturen wieder, und die Dampfschiffe konnten mit ihren
Schiffskörpern und teilweise mit ihren Schaufelrädern die bisher geschlossene
Eisfläche auch im Lindauer Hafen zerteilen. Da diese aber über Nacht wieder
zusammenfroren, erhielt das Schiffspersonal der Trajektanstalt den Auftrag, die
Eisschollen aus dem Hafenbereich zu ziehen. Dafür mussten diese mit einer
Kette, dem "Eisrechen" umfasst und danach abgeschleppt werden. Auf
einer dieser Eisschollen stehend, sollte dabei Steuermann Müller das an einer
Stange im Eis befestigte Seil zum Trajektschiff fixieren. Damit seine Schuhe
nicht voll Wasser liefen, stand er zudem auf einem Stuhl. Doch in dem Moment,
als das Schiff das Seil anzog, brach die Eisscholle, und Müller fiel in das
eiskalte Wasser. Nur mit Mühe konnte er davor bewahrt werden, nicht unters Eis
zu geraten.
(Lindauer Zeitung v. 22.01.08)