Reiche Flüchtlinge lassen Geld in Konstanz

Gemeinhin gelten Flüchtlinge als arm und lästig. Ganz anders erging es der Ex-Königin von Holland und ihrem Sohn, als sie 1815 nach dem Sturz von Napoleon I. Frankreich verlassen mussten. Von einigen politischen Schwierigkeiten abgesehen, hatten Hortense de Beauharnais und ihr Sohn Louis Napoleon, der spätere Kaiser Napoleon III., weder Geldsorgen noch waren sie am Bodensee unwillkommen.

Wer zur Audienz an den Bodensee kam, übernachtete hier, für die gesellschaftlichen Verpflichtungen waren kostbare Garderoben erforderlich. Etlichen Handwerkbetrieben wurde der Status eines Hoflieferanten zuteil.

Noch heute lassen sich Nachfahren damaliger Händler und Unternehmen nachweisen. So lässt sich beispielsweise die Geschichte der Bodensee Schiffsbetriebe (BSB) bis in diese Zeit zurückverfolgen. Ex-Königin Hortense beteiligte sich 1830 bei der Gründung der „Dampfschifffahrtsgesellschaft für Bodensee und Rhein“. Dieses Unternehmen ist beispielhaft, wie sich trotz wechselnder Eigentümer eine Idee bis heute erfolgreich behaupten kann. So gehörten später die großen Schifffahrtsunternehmen auf dem See zu den Länderbahnen, die dann zwischen den Weltkriegen der Deutschen Reichsbahn unterstellt wurden. Deren Erbe trat schließlich die Deutsche Bundesbahn an, die als Deutsche Bahn privatisiert wurde und schließlich die Schiffsbetriebe als BSB ausgliederte und 2003 an die Stadtwerke verkaufte.

Nachdem 1832 Karl Hüetlin als Bürgermeister gewählt wurde, trieb dieser die Gründung der Sparkasse voran – heute für die Bürger ein nicht mehr wegzudenkendes Geldinstitut. Der Hofstaat vom Schloss Arenenberg kaufte seine Arzneien in der Malhaus-Apotheke.

1797 gründeten die Hutfabrikanten Costé Jourdan und Dominique Cyrot die „Manufacture de Chapeaux“ (Hutmanufaktur), die der Hutmacher Michael Schedler 1811 kaufte. Von ihm bezog Prinz Louis Napoleon seine Kopfbedeckungen. Mangels Nachkommen musste 1872 die Hutmanufaktur an Gustav Adolf Zwicker und Karl Schubart verkauft werden – in der Jetztzeit als Herrenausstatter Zwicker bekannt.

Die Familie Delisle stand schon vor 1815 mit den Bonapartes in Verbindung. Einige Mitglieder dienten Hortense und ihrem Bruder Eugene als Agenten und Strohmänner beim Kauf von Immobilien. 1830 gründete Carl Delisle eine Handelsfirma, die vorwiegend Haushaltsgeräte und Werkzeuge vertrieb. Sie wurde 1869 an Ernst Straub verkauft und später wieder von der Familie Delisle zurückgekauft. Heute existiert die Firma „Ernst Straub“ als Großhandelsunternehmen und die Alleingesellschafterin trägt den Namen Delisle.

Die Textilindustrie erlebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Davon profitierte auch die 1812 gegründete Firma Herosé. Ex-Königin Hortense investierte erfolgreich Geld in dieses Unternehmen. Ende des vorigen Jahrhunderts kam das Ende für den Konstanzer Traditionsbetrieb, der sich den verändernden Weltmarktbedingungen geschlagen geben musste.

(Nikolaj Schutzbach/Südkurier v. 25.10.08)

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