Als die Schiffe noch die Hälfte ihrer Ladung selbst aufbrauchten

Tag des offenen Denkmals erinnert an die Geschichte der Häfen

Eigentlich gibt es am Tag des offenen Denkmals unter einem bestimmten Leitthema Dinge zu sehen, die normalerweise verschlossen sind, und das noch kostenlos. Im Jahr des Stadtjubiläums dagegen wollte das Friedrichshafener Stadtarchiv, wie Archivar Jürgen Oellers erklärt, kein Einzelobjekt präsentieren, sondern umfassender auf die Stadtgeschichte im 19. Jahrhundert eingehen, genauer auf die Hafengeschichte, die Häfen im „Hafen“. Stündlich boten er und Manfred Ertle, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Stadtarchivs, Führungen an, die vom Ruderverein bis zum jüngst wiedereröffneten Schlosssteg führten.

Oellers’ erste Führung fand 35 Interessenten, zur 12-Uhr-Führung kamen ein gutes Dutzend meist ältere Geschichtsfreunde, einige mit Fahrrad. Der Tag war auch zu schön, ein richtig heißer Sommertag, der letzte Ferientag im Ländle.

Manfred Ertle hat einen Packen eingeschweißter Repros unter den Arm geklemmt und beginnt zu erzählen, wie sich der Hafen und die Stadt am See mit der Entwicklung des Hafens, der Dampfschifffahrt und der Trajektschifffahrt verändert hat: „Nicht Stadtplaner, sondern Wirtschaftsfaktoren haben sie geprägt.“ Romanhorn hatte ein Interesse an einer Eisenbahnverbindung über den See, ein Engländer konstruierte die Eisenbahnfähre – willkommenes Versuchsobjekt für eine Fährverbindung vom Festland nach Dover. Die Zuhörer staunen, wenn sie hören, dass das erste hier gebaute Dampfschiff die Hälfte seiner Ladung für den Brennstoff benötigte, um ans andere Ufer zu gelangen. Auch der später gebaute „Kohlenfresser“ war nicht viel besser, wie sein Spitzname zeigt. Zwei lange Molen, die in den See hineinragten, gab es anfangs, keinen Hafen. Im Hinteren Hafen künden eine Reihe von Tafeln von den Veränderungen. An die Vergangenheit der Trajektfähren erinert auch die „Schussen“, die heute am Hafenrand als Vereinslokal dient. Die schöne Uferpromenade, die an diesem Sonntag von Besuchern wimmelt, entstand durch spätere Aufschüttungen – ursprünglich waren die Häuser der Freien Reichsstadt Buchhorn bis an den See gebaut. Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Bewohner bei einem heftigen Föhnsturm fühlten. Manfred Ertle macht Halt beim historischen Lastkran von 1830, der 1993 vorbildlich restauriert wurde, und wenig später bei der Tafel, die an die „Schwabenkinder“ erinnert, die seit der Einrichtung der Dampferlinien mit dem Schiff zum Hütekindermarkt nach Friedrichshafen kamen. Viel gibt es zu erzählen, bis die Gruppe zum erneuerten Schlosssteg kommt. Das kann schon eineinhalb Stunden dauern, ohne dass der Führer zu sehr ins Erzählen kommt. Oellers und Ertle haben einen anstrengenden Tag vor sich, aber auch viele interessante Fragen.

(Helmut Voith/Schwäbische Zeitung v. 12.09.11)

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