Mit der Schwäb'sche
Eisebahne an den Hafen und in die Ferne
Die Pläne waren ehrgeizig: „Um die kürzeste
Verbindungen zwischen den Endpunkten der beiden Schifffahrtsstraßen Neckar und
Donau und dem Bodensee zu schaffen“, betrieb das Land Württemberg seit 1943
den Eisenbahnbau.
Die Hauptstrecke der berühmten „Schwäb'sche
Eisebahne“ sollte zwischen Heilbronn über Stuttgart und Ulm nach
Friedrichshafen laufen, so die Vorstellungen der Planer.
Am 8. November 1847 begann in Friedrichshafen
schließlich die neue Zeitrechnung. Das erste Teilstück zwischen Ravensburg und
Friedrichshafen wurde feierlich eröffnet. Damit war die Stadt die erste am
Bodensee, die überhaupt ans Schienennetz angeschlossen war. „Alles klappte
indessen vortrefflich, und das schnaubende Dampfross begann als Künder einer
neuen Zeit unter dem Jubel der von allen Seiten herbeigeströmten Menge seinen
Siegeslauf“, so berichtete das Seeblatt über die Jungfernfahrt der neuen
Eisenbahn auf der 19 Kilometer langen Strecke.
Es waren vor allem wirtschaftliche Erwägungen,
die König Wilhelm zu diesem Schritt bewogen. Denn durch die Eisenbahn konnten
nun oberschwäbische Landwirtschaftserzeugnisse schneller befördert werden und
ab Friedrichshafen in die Schweiz verschifft werden.
Als 1850 schließlich auch die gesamte Strecke
zwischen Heilbronn und Friedrichshafen fertig gestellt war, eröffneten sich für
die Bewohner der Region ganz neue Möglichkeiten. In diesem Jahr folgt auch der
Bau des Häfler Hafenbahnhofs, über den in den folgenden Jahrzehnten große Gütermengen
umgeschlagen wurden. Allein zwischen Friedrichshafen und Romanshorn wurden im
Jahr 1857 533 000 Zentner Güter verschifft. Bis 1869 wurden die Waren umständlich
vom Waggon aufs Schiff umgeladen. Erst dann schaffte sich die Königlich-Württembergische
Staatseisenbahn gemeinsam mit der Schweizerischen Nordostbahn ein Dampftrajektschiff
an – so konnten die voll beladenen Güterwaggons ganz einfach über den See
geschippert werden.
Die im Volksmund
liebevoll genannten „Kohlefresser“ konnten 16 Eisenbahnwaggons an Bord
nehmen und hatten eine Tragfähigkeit von 600 Tonnen. Bis 1976 wurden – zwar
auf moderneren Schiffen – so Hunderttausende Güterwagen über den Bodensee
gebracht.
1901 war endlich auch die gesamte Bahnstrecke
am nördlichen Bodenseeufer fertig gestellt. Die Bodenseegürtelbahn wurde am 2.
Oktober 1901 eingeweiht – damit war nun die gesamte Strecke zwischen
Radolfzell und Lindau befahrbar, zudem war nun auch der Anschluss an Schnellzüge
gewährleistet. 1920 wurden die bisher landeseigenen Eisenbahngesellschaften
unter der Bezeichnung „Deutsche Reichsbahn“ vereinigt. 1930 ging der Häfler
Güterbahnhof in Betrieb, es folgte der Neubau des Hafenbahnhofs, der 1933 eröffnet
wurde. Während des Zweiten Weltkrieges beeinträchtigten die Luftangriffe auch
den Bahnverkehr. Der letzte Zug auf der Südbahn verließ die Stadt einen Tag
vor dem Einmarsch französischer Truppen am 29. April 1945. Auch unter der
Besatzung blieb die Bahn ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, doch nachdem die
Eisenbahnen 1952 in der Deutschen Bundesbahn (DB) aufgingen, kam die Südbahn
nicht in das Elektrifizierungsprogramm. Bis heute ist die Strecke zwischen Ulm
und Friedrichshafen nur mit Dieselloks befahrbar. Nach und nach schwand das
Interesse der DB an der Strecke, zahlreiche Bahnhöfe wurden geschlossen. Erst
die Gründung der Bodensee-Oberschwabenbahn (BOB), auch liebevoll „Geißbockbahn“
genannt, änderte diesen Missstand. Heute fahren rund 4700 Menschen täglich mit
der erfolgreichen Bahn.
(Kerstin Mommsen/Südkurier v. 20.09.11)