Eine Frau am Ruder
Die
Kreuzlingerin Erika Neuenschwander hat als zweite Thurgauer Frau den Kapitäns-Rang
erreicht
Erika
Neuenschwander aus Kreuzlingen ist jetzt Frau Kapitän. Sie ist die zweite Frau
im Thurgau, die es in die Kapitänsetage geschafft hat. Total sind 30 Kapitäne
registriert.
Mit
der Aushändigung des Kapitänspatents ist die oberste Stufe der maritimen
Karriereleiter erreicht. Der Beruf des Kapitäns ist immer noch eine Männerdomäne.
Im Thurgau hat es jetzt die zweite Frau ans Ruder geschafft.
In Bichelsee aufgewachsen
Die
neue Frau Kapitän Erika Neuenschwander, Jahrgang 1965, hat die Kapitäns-Laufbahn
nicht von vornherein angestrebt. Es war eher Zufall. Aufgewachsen im
Hinterthurgau, in Bichelsee, hat sie eine Lehre als Lebensmittelverkäuferin
absolviert. Später führte sie als Filialleiterin den Volg Berg. Der See zog
sie an und so wechselte sie ins Hafenrestaurant in Kreuzlingen, wo sie in der Küche
und im Service arbeitete. Den Willen, sich energisch einzusetzen und etwas zu
erreichen, hatte Erika Neuenschwander von jung an.
Als Hilfsmatrose begonnen
Als
sie ihren späteren Ehemann, Kapitän Roland Neuenschwander von der «MS
Delphin» mit Liegeplatz im Hafen Kreuzlingen kennen lernte, wurde ihr
Interesse an Schiffen ganz unbewusst gefördert. Klammheimlich besuchte sie eine
Motorboot-Schule und bestand die Motorboot-Prüfung. Dass ihr die Schifferei im
Blut läge, kann sie nicht bestätigen. Sie erzählt, wie sie den
gastronomischen Teil auf der «MS Delphin» übernahm, als Hilfsmatrose zum
Einsatz kam und sich bald keinen besseren Beruf mehr vorstellen konnte. Das
Interesse an der Technik, am Führen des Schiffes wuchs. Der Traum Kapitän zu
werden, sah sie auch als Privileg. Ihr Mann hat sie unterstützt. Zusammen mit
den Kandidaten von der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein begab sie
sich nach Bern zur eidgenössischen Theorieprüfung. Nach der bestandenen
Theorie wurde jede freie Stunde fürs Fahrtraining genutzt. Fahren nach Kompass,
Blindfahren, Radarfahren, ohne Licht fahren und auf der Karte den Kurs
ausrechnen, Rettungsübungen wie Mann-über-Bord im Seerhein, Anlegemanöver und
viele andere Manöver. «Als Frau muss man behutsam in diese Welt hineinwachsen»,
meinte sie und setzte stolz die Kapitänsmütze auf. Trotz Herbst ist kein
Saisonende in Sicht: «Wir fahren auch im Winter für unsere Gäste, nur dickes
Eis kann uns abhalten.»
Iris Fürst machte den
Anfang
Die
erste Frau Kapitän im Thurgau war Iris Fürst aus Romanshorn, die vor rund zehn
Jahren das Kapitänsbrevet bestand. Iris Fürst war die Laufbahn durch die
Familie, die einen Schiffsbetrieb in Romanshorn betreibt, gleichsam in die Wiege
gelegt worden. Fürst: «Man ist als Frau Kapitän schon ein Exot; aber es gibt
sehr viel Anerkennung, Ehre sowie Respekt; es ist einfach toll.»
Theorie
und Praxis
Die
Prüfungsanforderungen für das Kapitänsbrevet richten sich nach der
Bodensee-Schifffahrts-Ordnung sowie der schweizerischen
Binnenschifffahrt-Verordnung, erklärt Walter Leu, stellvertretender Chef der
Thurgauer Seepolizei, auf Anfrage. Beide Bestimmungen verlangen für die
Zulassung zur praktischen Prüfung Kategorie B eine Mindestfahrzeiterfordernis.
Bei Bewerbern für einen Führerausweis Kategorie B bis 60 Fahrgäste sind dies
neun Monate, davon mindestens fünf auf dem Bodensee. Für mehr als 60 Fahrgäste
gelten bereits 18 Monate, davon mindestens neun auf dem Bodensee. Vor der
praktischen Prüfung ist der theoretische Teil zu bestehen. Dieser umfasst neben
den allgemeinen Verkehrsvorschriften die speziellen Vorgaben gemäß der
schweizerischen Schiffbauverordnung und die dazugehörenden Ausführungsbestimmungen.
(Margrith Pfister Kübler/St. Galler Tagblatt v. 30.10.07)