Schiffe dümpeln
im Ungewissen
Die geschichtsträchtige «Österreich»
und die alte «Lindau» liegen seit
Jahren verlassen in der Fussacher Werft vor Anker. Das Schicksal der beiden großen
Bodenseeschiffe ist ungewiss. Während langsam Rost an den einst weißen Rümpfen
nagt, überlegen die Eigentümer, ob die Schiffe verschrottet werden sollen oder
doch noch erhalten werden können.
Die «Österreich» liegt seit dem Herbst 2009
in der Werft, nachdem sie noch zwei Jahre zuvor gewartet worden ist. Die
Vorarlberg Lines als Besitzerin ließ das Schiff einer eingehenden Prüfung
unterziehen, um die Kosten einer Instandhaltung sowie mögliche Einsatzgebiete
eruieren zu können. In den nächsten Monaten will sich die Vorarlberg Lines nun
entscheiden, ob das Schiff modernisiert und wieder verwendet werden soll.
Über 80 Jahre lang prägte die «Österreich»
die Bodenseeschifffahrt. Als erstes großes Schiff mit Dieselmotoren wurde sie
1928 gewassert und war der Stolz der Österreichischen Bundesbahnen.
Doch bereits bei der Jungfernfahrt traten
Probleme mit den Motoren auf. Einer fiel aus, weshalb sich die «Österreich»
mit halber Kraft gegen einen Sturm zurück nach Bregenz kämpfen musste. Danach
verrichtete das moderne Schiff jedoch zuverlässig seine Dienste, bis es im
Zweiten Weltkrieg der Deutschen Reichsbahn zufiel. Wegen des Treibstoffmangels
wurde das Schiff kaum noch eingesetzt. 1944 benutzte die Reichsmarine die «Österreich»
als Versuchsschiff, baute Torpedo-Rohre ein und installierte Geschütze an Deck.
Nach Kriegsende wurde der schwerbeschädigte Dampfer restauriert und konnte 1953
zur zweiten Jungfernfahrt auslaufen.
Ab 1958 fuhr auch die «Lindau» regelmäßig
auf dem Bodensee. Sie wurde vor gut sieben Jahren außer Betrieb gesetzt und
2007 von den Konstanzer Stadtwerken in Fussach abgestellt. Heute gehört das
Schiff einem Vorarlberger Recycling-Unternehmen, welches ebenfalls noch unschlüssig
ist, was mit der «Lindau» geschehen soll.
Denn die Innenräume der «Lindau» würden
sich gut für ein Restaurant eignen, der Betreiber müsste aber Geld für die
Restaurierung in die Hand nehmen. Dennoch beschäftigen sich die neuen Eigentümer
ernsthaft mit der Möglichkeit einer schwimmenden Kneipe. Offen ist derzeit, wo
das Schiff verankert werden könnte. Denn ein ständiger Ankerplatz am Ufer ist
rar und teuer. In Betracht zieht das Unternehmen einen Teil des Geländes der
Firma Zech unmittelbar am Rheindamm.
Ob dies jedoch klappen wird, steht derzeit
noch in den Sternen. Und so lange dümpeln die «alten Damen» noch im
Ungewissen.
(Gernot Grabher/St. Galler Tagblatt v. 15.10.10)