Tiefe
Pegelstände am See
„Der
Wasserstand im Konstanzer Hafen liegt jetzt bei 2,81 Metern, das ist deutlich
unterdurchschnittlich“, sagt Bernd Wahl, Physiker des Seenforschungsinstituts
in Langenargen
.
„Der Alpenrhein müsste mehr Wasser liefern, was nicht passiert
.
Außerdem bleiben die Regenfälle aus, die im April eigentlich kommen müssten
.
“ Mit den niedrigen Wasserständen hat der Bodensee etwa seit 15 Jahren zu kämpfen:
„Seit den 90er Jahren zeichnet sich ab, dass vor allem im Spätsommer die
Pegelwerte niedrig sind
.
Es verdunstet mehr Wasser aus dem See und der Schmelzwasser-Zufluss fehlt
.
“
Auch
Peter Homagk, Leiter der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale (HVZ) Baden-Württemberg,
beurteilt den Pegelstand des Sees als „deutlich unter dem Mittel“, was heißt,
dass der Bodensee im Moment weniger Wasser hat als im Durchschnitt üblich
.
Er liefert als Prognose: „Wenn es weiter so heiß bleibt und keine oder nur
wenig Niederschläge fallen, werden ab Mitte Mai die Bodenseewasserstände für
diese Jahreszeit besonders niedrig sein
.
“ Wenig Regen vorausgesetzt, sinke der Wasserstand im Juli sogar noch weiter,
was die Trinkwasserversorgung allerdings nicht beeinträchtige
.
Als
Ursache für diese Entwicklung sieht Herbert Löffler, Biologe am
Seenforschungsinstitut in Langenargen, durchaus einen hausgemachten Klimawandel:
„Unsere Modellszenarien weisen in die Richtung, dass wir eine Klimaveränderung
haben
.
Es ist ein bisschen wie bei einem Puzzle, es passen viele Teile zusammen
.
Und es spricht sehr viel dafür, dass der Mensch an dieser Veränderung nicht
unbeteiligt ist
.
“
Auswirkungen
auf die Tier- und Pflanzenwelt
Die
Auswirkungen für Tiere und Pflanzen am und im See sind vielschichtig
.
Zum Beispiel verändert sich die Sauerstoffversorgung des Sees, weil die
Wassertemperatur steigt
.
Physiker Bernd Wahl erklärt, warum das so ist: „Dadurch, dass die
Temperaturen seit den 90er Jahren höher sind, setzt die thermische Schichtung
im Bodensee früher ein
.
“ Damit spricht er an, dass es in der warmen Jahreszeit Wasserschichten mit
unterschiedlicher Temperatur gibt, während sich im Winter das Wasser stärker
durchmischt
.
„Die Durchmischung ist wichtig, damit sich der Sauerstoffhaushalt in der
Tiefe erholt, eine schlechte Durchmischung haben wir allerdings immer häufiger
.
“ Für das Bodenseefelchen zum Beispiel, das in der Tiefe laicht und dessen
Brut dort Sauerstoff braucht, könnte diese Entwicklung problematisch werden,
momentan sei dies aber noch nicht der Fall
.
Biologe
Herbert Löffler sieht die Situation der Tierwelt im und am See als nicht
dramatisch: „Die Tiere sind mobil, die können ausweichen und zum Beispiel in
Wassertiefen gehen, in denen ihnen die Temperatur zusagt
.
“
Veränderungen
sieht Biologe Herbert Löffler vor allem bei den Landpflanzen: „Am Ufer
wachsende Pflanzen profitieren, wie Schilf und Weiden, weil die Uferzone breiter
wird
.
“ Dass durch die Temperatur- und Wasserstandsveränderungen das Gleichgewicht
der Pflanzenwelt durcheinander geraten könnte, glaubt der Biologe nicht
.
Das
sieht Karl-
Ott
o Rothhaupt, Professor für Limnologe an der Universität Konstanz, anders
.
„Der flache Uferbereich ist ein vielfältiger Lebensraum
.
Wenn der Wasserstand sinkt, wird für die Organismen der Lebensraum knapper
.
“ Der Uferbereich, der um diese Jahreszeit eigentlich überflutet ist, liegt
trocken
.
Damit ergeben sich Probleme für Fische, Insektenlarven, Krebsarten und
Pflanzen
.
„Zum Beispiel ist das Bodensee-Vergiss-Mein-Nicht auf regelmäßige Überflutung
angewiesen
.
Es kann gegen ihre natürlichen Feinde nur bestehen, indem es zwei bis drei
Monate unter Wasser überleben kann
.
“ Auch für Fische, die im Uferbereich laichen, wird es eng
.
Jungfische finden weniger Schutz vor ihren Feinden
.
Nach
Einschätzung von Rothhaupt, wird der Wasserstand in diesem Jahr niedrig
bleiben, da nur wenig Schmelzwasser zufließt
.
„Die Klimaextreme werden sich in Zukunft häufen
.
Da die Organismen an die natürlichen Schwankungen des Wasserpegels angepasst
sind, werden sie Schwierigkeiten haben, mit den extremen Situationen
zurechtzukommen
.
“
Auswirkungen
für die Bodenseeschifffahrt
Die
Pressesprecherin der Bodensee-Schiffsbetriebe Silke Rockenstein sieht bisher
noch keinen Grund zur Besorgnis
.
„Die Fähren fahren noch unbeschränkt
.
Sollte der Pegel allerdings weiter sinken, müssen wir auf der Fähre
Friedrichshafen-Romanshorn die Ladung beschränken
.
“ Außerdem könnten dann einige Anleger, wie Langenargen, nicht mehr
angelaufen werden
.
Problematisch sei es für Rollstuhlfahrer an einigen Anlegern jetzt schon
.
Die Rampen führen zu steil nach unten, so dass der Zustieg auf die Schiffe gefährlich
werden könnte
.
An den betroffenen Anlegern werde aber über einen Flyer informiert
.
Für die Fähre Konstanz-Meersburg wird es erst ab einem Wasserstand von 2,30
Metern problematisch
.
Auswirkungen
auf historische Siedlungen
"Der
See ist eine wichtige archäologische Fundgrube", sagt Matthias Baumhauer,
Pressesprecher des Pfahlbau Museums Unteruhldingen
.
"Die wenigen verbliebenen Siedlungsreste sind durch den niedrigen
Wasserstand bedroht
.
" Es gibt über 100 Siedlungsplätze aus der Jungsteinzeit und der
Bronzezeit am See
.
Die wertvollen Reste werden durch Wellenbewegungen und Sauerstoff zerstört
.
Außerdem, so Baumhauer, bestünde immer die Gefahr, dass Spaziergänger
ahnungslos auf den Resten herumtrampelten
.
"Dadurch verschwindet langsam die Originalsubstanz, die für die Archäologen
eine wichtige Quelle ist
.
"
(Katrin Stengele u. Julia Schönmuth/Südkurier v.
24.04.07)