Ebbe am See: Schadet das Niedrigwasser?

Häfen können nicht mehr angesteuert werden, Sportboote fahren sich fest, weite Uferteile liegen trocken: Der Wasserstand des Bodensees nähert sich einem historischen Tiefstand. Das alles klingt dramatisch. Doch schadet das Niedrigwasser dem See tatsächlich?

Besucher machen momentan große Augen, wenn sie die Sandbänke im Bodensee sehen. Nein, liebe Touristen, das ist nicht immer so, der Bodensee macht nur seit einigen Wochen einen auf Nordsee. Doch die Ebbe, die derzeit an weiten Teile des Ufers herrscht, hängt hier nicht wie im Wattenmeer von Mondzeiten ab, sondern ist dem wenigen Niederschlag und der geringen Schneeschmelze zu verschulden.

Warum der Pegel so niedrig ist

Nur 2,82 Meter tief ist das Wasser an der Messstelle Konstanz am 11. Mai. Das sind laut der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, die den Pegel täglich an vier Stellen im See bzw. Seerhein (Konstanz See, Konstanz Rhein, Radolfzell, Friedrichshafen) misst, rund 65 Zentimeter weniger als normalerweise zu dieser Jahreszeit üblich. Der tiefste Wasserstand an einem 11. Mai wurde 1996 mit 2,77 Meter gemessen. Der Pegel nähert sich damit also einem historischen Tiefstand im Mai.

Normalerweise treten Seewasserstände unter drei Metern nur in den Wintermonaten auf, weil dann die Schneemengen noch in den Alpen liegen und der Seezufluss gering ist. Im Winter liegt der Pegel in Konstanz deshalb bei rund 2,62 Metern. Doch das ändert sich in der Regel mit dem Frühjahr, schließlich regnet es dann zum einen besonders häufig, zum anderen schmilzt der Schnee und gelangt über die Zuflüsse in den Bodensee. Der Pegel steigt. Doch nicht in diesem Jahr. „Seit Januar ist es sehr, sehr trocken, die Niederschlagswerte liegen in jedem Monat deutlich unter dem Durchschnitt“, erklärt Ralf Grässer, Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Hinzu kommen die fehlenden Schneemengen in den Alpen.

Schadet Niedrigwasser dem See?

Dem See selbst schadet der niedrige Wasserstand nicht, berichtet die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Wie Gerd Schröder vom Seenforschungsinstitut in Langenargen bei der Kommissionstagung, die vor wenigen Tagen in Weinfelden (Thurgau) stattfand, berichtete, kämen die Lebensgemeinschaften am Ufersaum gut mit den Verhältnissen zurecht. Langfristige Auswirkungen seien keine zu erwarten.

Auch die Bodensee-Wasserversorgung hält die Lage nicht für kritisch. Selbst bei niedrigem Wasserstand würde sich die Wasserentnahme aus dem See nicht auswirken.

Der See ist derzeit sogar so sauber wie schon lange nicht. Der Sauerstoffgehalt im Bodensee entwickelt sich sehr gut, so die Experten der IGKB. Im gesamten Jahr 2010 war die Konzentration dieses lebenswichtigen Gases in 200 bis 254 Meter Tiefe so hoch wie noch nie seit Beginn der regelmäßigen Untersuchungen Anfang der 1960er Jahre. Dies ist unter anderem auf die konsequenten Reinhaltemaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen. „Wir ernten nun die Früchte unserer langjährigen Bemühungen um die Reinhaltung des Sees“, freute sich der IGKB-Vorsitzende Peter Fuhrmann vom Umweltministerium Baden-Württemberg bei der Tagung.

Bodensee-Schifffahrt leidet unter geringen Wassermengen

Negativ wirkt sich das anhaltende Niedrigwasser jedoch vor allem auf die Bodensee-Schifffahrt aus. Sowohl die Fähren und Schiffe der privaten Schifffahrtsbetriebe als auch die der Weißen Flotte haben Probleme, bestimmte Häfen und Anlegestellen anzusteuern. Während der Hafen Langenargen schon seit Wochen nicht mehr erreichbar ist, könnten an den Landestellen Überlingen (Bodenseekreis) und Nonnenhorn (Kreis Lindau) noch immer keine Rollstuhlfahrer mitgenommen werden, weil die Einstiegsrampen durch das Niedrigwasser zu steil würden, berichteten die Bodenseeschiffsbetriebe. Ein Bus-Ersatzverkehr nach Friedrichshafen und Kressbronn wurde eingerichtet. Die Friedrichshafener Fähre hat mittlerweile sogar Schwierigkeiten, den Hafen Romanshorn anzusteuern. Und auch am Rhein sind einige Anlegestellen (Diessenhoffen, Stein am Rhein) nicht mehr befahrbar.

Schwierig wird es auch für die Schiffe der privaten Schiffsbetriebe, wie beispielsweise Heidegger in Überlingen. Die mussten bereits einige Routen ändern, um noch genug Fahrten anbieten zu können. Und auch für die privaten Boots- und Yachtbesitzer bringt das Niedrigwasser einige Schwierigkeiten mit sich. So können beim Württembergischen Yachtclub in Friedrichshafen Schiffe mit Tiefgang ab 1,40 Meter gar nicht mehr in den Hafen einlaufen.

Wasserschutzpolizei warnt Skipper

Die Wasserschutzpolizei warnt Skipper bereits seit Tagen vor den Gefahren des derzeitigen Niedrigwassers.  In den vergangenen Wochen mussten die Beamten immer wieder Sportschiffe befreien, nachdem sie sich im Niedrigwasser festgefahren hatten. Die Wasserschutzpolizei rät daher dringend, sich rechtzeitig vor Beginn des Törns über den aktuellen Tagespegel sowie über die Wassertiefen in den Hafeneinfahrten und in den Häfen zu informieren.

Wann steigt der Pegel wieder?

Yachtbesitzer, Schifffsbetriebe - sie alle warten sehnsüchtig auf Regen. Und der dürfte, so zumindest die Einschätzung von Mona Vetter, Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst in Stuttgart, in den nächsten Tagen erstmal schauerartig am Bodensee auftreten. "Wir werden in den nächsten Tagen sehr viel unbeständigeres Wetter haben", erklärte Vetter, "die Lage wird sich also deutlich bessern." Allerdings, so räumte Vetter ein, könnten auch große Regenmengen die Defizite vom Frühjahr nicht ausgleichen. "Die Niederschläge werden nicht zum Normalpegelstand des Sees führen", sagt sie, "aber die Pegelstände werden wieder deutlich steigen." Auch lokale Unwetter seien nicht auszuschließen. Möglich wären sogar starke Hagelschauer, wie es sie zuletzt vor zwei Jahren im Mai in Konstanz gab.Das könne man aber nur sehr kurzfristig sagen, größere Unwetter seien oft lokal begrenzt.

(Sabine Wienrich/Südkurier v. 12.05.11)

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