Nachdem der Kaiser bei der Jahrhundertfeier
des Tiroler Freiheitskampfes am 29. August in Innsbruck und am 30. August in
Bregenz die Huldigungen seiner Untertanen entgegengenommen hatte, machte er am
31. August 1909 eine Rundfahrt auf dem Bodensee. Bei dieser Gelegenheit besuchte
er kurz Rorschach.
Rorschach wurde Romanshorn wegen der besseren
Hafenverhältnisse vorgezogen. Zudem spielte eine Rolle, dass der Kanton St.
Gallen an Vorarlberg grenzt.
Die eidgenössische
Direktion für Bauten sorgte für prächtige Dekorationen. Im ganzen Hafen
dominierten die Farben Schwarz-Gelb und Rot-Weiß. Auch der Leuchtturm war mit
Fahnen und Blumen geschmückt, ja es wurde gar ein zweiter «Leuchtturm» aus
Holz erstellt. An der Landungsstelle stand eine Triumphpforte mit Emblemen des
österreichischen Kaiserhauses und der Eidgenossenschaft, am Giebel des
Kornhauses hing ein großes Schild mit dem Doppeladler.
Sobald der «Kaiserdampfer» gesichtet wurde,
krachten Böllerschüsse. Bei der Einfahrt des Raddampfers «Kaiserin
Elisabeth» intonierte die Rorschacher Bürgermusik die österreichische
Nationalhymne. Vom Deck grüsste der Kaiser militärisch. Der in schwarze Fräcke
gekleidete Bundesrat, vertreten durch Vizepräsident Robert Comtesse, Ernst
Brenner und Josef Anton Schobinger, begab sich mit einer Militärdelegation an
Bord des Schiffes und wurde dort vom 79jährigen Kaiser begrüßt. Von der St.
Galler Regierung waren die Regierungsräte Anton Messmer und Alfred Riegg
anwesend. Bereits 20 Minuten nach der Ankunft fuhr der Raddampfer weiter. Die Bürgermusik
spielte die schweizerische Nationalhymne, der Kaiser in seiner
Feldmarschall-Uniform (weißer Rock, rote Hose mit goldenem breitem Streifen,
Helm mit Federbusch, Band des Ordens vom goldenen Vlies) verabschiedete sich
salutierend auf dem Oberdeck.
Die riesige Menschenmenge, die nur von weitem
zuschauen durfte und durch Soldaten vom Hafen ferngehalten worden war, liess
Hochrufe ertönen, schwenkte Hüte und Tücher. Die gesamte Rorschacher
Schuljugend, die auf dem Platz bei der Güterexpedition aufgestellt war, stimmte
in die Ovationen ein.
(Wolfgang Göldi/St. Galler Tagblatt v.
31.08.09)