Die Stedi sind in die Jahre gekommen
Seit den Pfahlbauern sind Steganlagen im Brennpunkt der Geschichte. Viele sind in die Jahre gekommen. Ein Rundumblick um den Bodensee mit Ingenieur Leo Stäheli.
Bei den Hafen- und Stedi-Anlagen gibt es am
Bodensee, aufgeteilt in Untersee und
Obersee, große Unterschiede. Bei vielen Anlagen besteht großer
Sanierungsbedarf. Diese Forderung wird im Winter bei niedrigem
Wasserstand selbst für das Auge eines Laien sichtbar. Einer,
der seit Jahren auf der schweizerischen und der deutschen Uferseite
im Einsatz für Steganlagen steht, ist der Ingenieur Leo Stäheli,
vom BHAteam Ingenieure AG, Frauenfeld. Tourismus und Kursschifffahrt
und damit die Anlegestellen sind wirtschaftlich eng verwoben.
Dies fordert regelmäßigen Unterhalt der Anlagen.
Die ältesten Häfen am Bodensee sind Konstanz, Ludwigshafen, Bregenz,
Lindau und Friedrichshafen. Heute sind die Landungsstege auf der
Schweizer Seite im Besitz der Gemeinden. Stäheli: "Früher bekamen die
Gemeinden noch Fördergelder vom Bund für den Unterhalt der Stedi- und
Hafenanlagen. Heute sind die Gemeinden für den Unterhalt verantwortlich.
Die Politischen Gemeinden sind auch Besitzer der Landeanlagen."
Als Ausnahme nennt Stäheli auf Schweizer Seite den Hafen
Romanshorn, der im Besitz der Schifffahrtsgesellschaft ist. Am deutschen
Ufer gehören die Landeanlagen den Schifffahrtsgesellschaften,
wobei in Lindau zurzeit die Stadt darauf Anspruch
erhebt.
Weil die Landestellen für die Schifffahrt auch Treffpunkte und Begegnungsorte sind, ähnlich wie ein Bahnhof, sind diese Anlagen Visitenkarten der Dörfer und Städte. Unterhaltsarbeiten sind jedes Jahr fällig. Pfähle, Schutzvorrichtungen, die Mechanik und die Beleuchtung brauchen Beachtung. Die Sanierungsarbeiten im Mauerwerk und bauliche Veränderungen werden im Winter bei tiefem Wasserstand durchgeführt. Gearbeitet wird mit Wasserbau-Spezialisten; zum Einsatz kommen auch Taucher, Spezialbagger und Flosse.
Vielfältige Schadensarten
Noch funktionieren die Anlagen bei allen Schiffsanlegestellen, erklärt Stäheli. Die meisten sind gut im Schuss. In den Gemeinden habe man ein Auge darauf. Am Untersee ruft die Stedi Mammern nach Sanierung. In Ermatingen senkt sich die Stedi ab und wird schnell überflutet. Stähelis Begründung: "Der Stegkopf in Ermatingen steht teilweise auf Pfählen. Die Dammschüttung liegt zudem auf schlechtem Baugrund."
Gottlieben leidet unter Ausschwemmungsschäden in der Ufermauer. Konstanz hat seinen Hafen für die Katamarane angepasst. Ein Projekt für eine neue Landestelle besteht für Altnau. "Bottighofen ist in der Realisierung, das Projekt Münsterlingen stagniert, Kesswil ist abgelehnt", ergänzt Stäheli. Als altes Postulat bezeichnet er den Hafenausbau von Arbon. Tiefgangprobleme sieht er im Inselihafen Romanshorn. Saniert ist Rorschach. In Meersburg stehe die Außenmole schräg. Die Chromstahlbleche mit Noppen werden förmlich abgeschliffen durch Schuhe. Stäheli: "In Meersburg, Friedrichshafen und Konstanz sind diese in zwei Jahren durchgelaufen und müssen ersetzt werden." Im Hafen Friedrichshafen, dem Hafen mit der höchsten Frequenz, ist eine so genannte Schweizer Brücke projektiert, eine floßförmige Eingangspartie.
Bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Schifffahrt ganzjährlich betrieben. Damals hatte die Schifffahrt vor allem für den Lastentransport, aber auch für den Personentransport noch eine große Bedeutung. Die Standorte der Steganlagen hat die Natur vorgegeben, je nachdem ob das Ufer steil abfallend oder flach ist.
Unterwasserwirbel und Wasserstand
Zwischen 50 und 100 Jahre alt sind auf der schweizerischen Seite des Seeufers die heutigen Schiffsanlegestellen für die Kursschifffahrt. Der meist schlechte Baugrund gilt als das Hauptproblem für Schäden. Leo Stäheli nennt noch weitere Ursachen: "Die heutigen Schiffe haben andere Antriebe. Bei den Anlege- und Ablegemanövern entstehen Ausschwemmungen. Auskolken heißt der Fachausdruck. Das vom Wasser in strudelnde Bewegung versetzte Gesteinsmaterial bewegt sich trichter- oder kesselförmig. Diese Unterwasserwirbel richten Schäden an Holz und Beton an." Auswirkungen auf die Abnutzung der Steganlagen werden, so Leo Stäheli, auch durch die Schottelantriebe der Schiffe verursacht, weil diese mehr Sauerstoff ins Wasser bringen und so die Alterung der Anlagen unter Wasser aktivieren. Beim Schottelantrieb werden für den Antrieb im Gegensatz zu früheren Bootsmotorantriebsführungen keine konventionellen Propeller eingesetzt. Der Schottel-Ruderpropeller hat einen um 360 Grad schwenkbaren Antriebsstrahl. Diese Steuerung erhöht die Manövrierbarkeit der Schiffe. Auswirkungen auf die Abnutzung der Steganlagen haben aber auch der Wellengang und die großen Wasserstandsschwankungen der vergangenen Jahre.
Mit dem Kleinboot zur Stelline
Die Wurzeln des Schiffsverkehrs auf dem Bodensee - und damit auch die ältesten Landeanlagen - sind bereits in prähistorischer Zeit zu suchen. Bekannt sei dazu allerdings wenig Konkretes, so Grabungstechniker Matthias Schnyder vom Amt für Archäologie. Landedämme (Stellinen) wurden nicht senkrecht, sondern parallel zum Ufer am Rande der Seehalde errichtet. Das Be- und Entladen der Schiffe erfolgte auf diesen "Stellinen"; Personen und Waren mussten mit Hilfe eines kleineren Bootes an das Ufer gebracht werden. Bekannt sind solche Stellinen heute noch von Steinach, Arbon, Uttwil, Güttingen, Kesswil, Altnau, Landschlacht und Scherzingen. Vom Amt für Archäologie Thurgau untersucht wurden die Anlagen von Steinach, Arbon und Kesswil. An den in das tiefere Wasser verlängerten Anlagen finden sich Hinweise auf Reparatur- und Ausbaumaßnahmen, sodass davon auszugehen sei, so Schnyder, dass sie über lange Zeiträume in Gebrauch waren. Mit dem Erscheinen des ersten Dampfschiffs im Jahre 1824 und der ersten Eisenbahnen im Jahre 1847 erfuhr der Wasserverkehr auf dem Bodensee einen einschneidenden Wandel. Die Landeanlagen und Häfen erhielten im Zuge von Umbau- und Ausbaumaßnahmen steinerne Molen und Quaimauern.
(Margrith Pfister-Kübler/Thurgauer Zeitung v. 15.02.07)