Ihr Arbeitstag kann während der Hauptsaison
schon mal 16 Stunden dauern: Susanne Reich hat als Chefköchin der
Bodenseeschiffe alle Fäden der Gastronomie in der Hand. Sie steht mal in der Küche
im Kornhaus, mal ist sie auf einem der Schiffe unterwegs auf dem Bodensee, mal
schleppt sie Geschirr von einem Schiff ins andere, und wenn noch Zeit übrig
bleibt, sitzt sie in ihrem kleinen Büro und erledigt den Papierkram, der sich
in der Zwischenzeit ansammelt. Im August und September laufe es auf dem Bodensee
richtig rund, sagt sie.
Susanne Reich ist eigentlich gelernte
Kinderkrankenschwester. Durch ihren Mann Kurt Reich, Leiter des
Schifffahrtsamtes und der Bodensee-Schifffahrt Rorschach, rutschte sie nach und
nach in ihre heutige Tätigkeit rein. Vor 14 Jahren sprang sie als Aushilfe im
Service ein. Die nötige Erfahrung brachte sie aus ihrer Zeit in Genf mit, wo
sie als junge Frau eine Haushaltsschule besuchte. Mit der Arbeit auf dem Schiff
kam die vierfache Mutter und Hausfrau schnell zurecht. Nach sieben Jahren im
Service suchte ihr Mann einen neuen Koch. Er schlug seiner Frau vor, die Aufgabe
zu übernehmen, da sie ja so gerne koche. «Ich tat es meinem Mann zuliebe»,
sagt Susanne Reich heute. «Mit der neuen Aufgabe warf man mich aber ins kalte
Wasser». Besonders anspruchsvoll an der Arbeit sei auch heute noch das
Zeitmanagement: Das Kochen und das Beliefern der Schiffe muss gut organisiert
sein, denn das Essen darf in der Zwischenzeit nicht kalt werden. Gekocht und
vorbereitet werden die Brunchs, Apéros und Menus nämlich an Land, in der Küche
des Kornhauses. Die Küchen auf den Schiffen sind dafür zu klein. Nur Snacks
wie Toast, Hot Dog oder Suppe bereitet das Personal vor Ort zu. Wenn allerdings
Fischknusperli oder Felchen auf der Speisekarte stehen, kocht Susanne Reich auf
dem Bodensee, denn diese Gerichte kann man nicht in Thermokisten warm stellen.
«Felchen auf zwei Herdplatten für 40 Leute zubereiten, das ist eine
Herausforderung», sagt die Chefköchin schmunzelnd. Oft kommt es vor, dass nur
eine Stunde Zeit bleibt, das Schiff zu reinigen, das gebrauchte Geschirr
rauszutragen und die neuen Gerichte an Bord zu bringen. «Nach all den Jahren
habe ich aber gelernt, in hektischen Situationen Ruhe zu bewahren», sagt
Susanne Reich.
Buchstäblich einen Engpass stellt auch die
Arbeit in der Schiffsküche dar: Einerseits ist kaum Platz vorhanden, so dass
sich das Personal bei starkem Wellengang schon mal auf die Füße tritt.
Andererseits sitzt der Crew auch hier der Zeitdruck im Nacken: Wenn die Gäste
innerhalb von drei Stunden Apéro, Hauptgang und Dessert zu sich nehmen und das
Schiff pünktlich wieder verlassen wollen, muss der Service-Ablauf reibungslos
funktionieren. Das könne schon mal an den Nerven zehren, gesteht Susanne Reich.
Wenn die Gäste dann zufrieden wieder von Bord gehen und das Essen loben, ist
sie glücklich: «Das macht den größten Stress wieder vergessen.»
Freude an der Arbeit bereitet Susanne Reich
auch der Bodensee selber: «Die Stimmung auf dem See ist immer anders». Die
51-Jährige wuchs in Rorschach auf und ist deshalb verwurzelt mit dem See. «Als
Kind war ich eine absolute Wasserratte, und später war ich Mitglied beim
Seerettungsdienst.» Seekrank sei sie nur einmal am Anfang ihrer Arbeit als
Schiffsköchin geworden, erinnert sie sich. Mittlerweile merke sie kaum noch,
wenn es schaukelt. Im Gegensatz zu den Gästen: «Manchmal ist der Wellengang so
heftig, dass die Gläser vom Tisch rutschen», sagt sie. «Das bekommt nicht
jedem Gast gut.»
Heute hat die Schiffsköchin einen langen Tag
vor sich. Eine Sonderfahrt zu den Bregenzer Festspielen steht an. Morgen folgt
dann die traditionelle 1.-August-Fahrt. «Ich schätze, dass wir bis spät in
die Nacht auf den Beinen sein werden» sagt sie.
(Lea Müller/St. Gallert Tagblatt v. 31.07.09)