Die schwimmende Hochschule

Wegen der Baustelle auf dem Alcan-Areal lagert die Fachhochschule St. Gallen ihren Unterricht auf Schiffe aus: Seit drei Wochen lernen die Studierenden an Bord. Verirrte Touristen, schwankende Böden und flaue Mägen gehören dazu.

Eine Touristin geht zögerlich an Bord und schaut sich fragend um. «Wann fährt das Schiff nach Lindau ab?» Eine Studentin winkt ab: «Dieses Schiff fährt nicht. Die Fachhochschule hat es für den Unterricht gemietet.» Weil die Bauarbeiten auf dem Alcan-Areal in manchen Schulräumen zurzeit viel Lärm und Erschütterungen verursachen, musste die Fachhochschule St. Gallen innert kürzester Zeit externe Unterrichtsräume finden. Deshalb mietete sie zwei Schiffe der Bodensee-Schifffahrt AG. Seit drei Wochen sind die MS Zürich und die MS Thurgau die neuen Klassenzimmer mit Seesicht.

Medikamente stehen bereit

Die Studierenden des Fachbereichs Soziale Arbeit in Rorschach müssen flexibel sein: Nicht nur fragende Touristen gehören nun zu ihrem Alltag: Auch der schwankende Boden ist gewöhnungsbedürftig. «Je nach Wellengang kann man schon einen flauen Magen bekommen», sagt Kommunikationsleiter Pascal Tschamper. «Besonders, wenn man stundenlang in einen Laptop schaut oder konzentriert mitschreibt.»

Am ersten Tag des Schiffunterrichts habe einer der Dozenten, der schon auf Hochsee gesegelt sei, den Studierenden Tips gegeben: Immer wieder aufschauen und mit dem Blick den Horizont fixieren. So habe man die besten Chancen, nicht seekrank zu werden. Für den Fall, dass es jemandem trotzdem übel werden sollte, hält die Fachhochschule Medikamente gegen die sogenannte «Reisekrankheit» bereit.

Frage der Organisation

Bisher hätten schon manche Studierenden mit Übelkeit gekämpft, erzählt Student Sebastian Schefer. «Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an das Schaukeln.» Der Unterricht auf dem Schiff sei ein spezielles Erlebnis, das Spaß mache. Für die Studierenden und die Dozierenden ist der organisatorische Aufwand aufgrund der Infrastruktur jedoch größer als zuvor, wie Sebastian Schefer sagt. Das bestätigt auch Dozentin Ruth Maria Kuster: «Wir müssen uns gründlicher vorbereiten. Hier gibt es keine Kopierer und keinen freien Internetzugang.» Ruth Maria Kuster hat sich aber an das Unterrichten auf dem Schiff gewöhnt und gewinnt der Situation durchaus Positives ab: «Die Studierenden müssen im Beruf dann auch flexibel auf neue Situationen reagieren können.»

«Schiffe sind Rettungsanker»

Die MS Zürich und die MS Thurgau ankern von Montag bis Freitag im Rorschacher Hafen. Am Wochenende sind sie wie gehabt im Einsatz auf dem See. An Bord stehen der Fachhochschule insgesamt sechs «Unterrichtsräume» mit Platz für rund 120 Studierende zur Verfügung. «Die Schiffe sind unser Rettungsanker bei Platzmangel», sagt Pascal Tschamper. «Wir entscheiden von Tag zu Tag neu, ob und welche Kurse wir auf dem Schiff durchführen.» Noch sei offen, wie lange die Fachhochschule die Schiffe miete. Man sei im Gespräch mit der Bauherrschaft und werde kurzfristig entscheiden, so Pascal Tschamper.

Die übrigen externen Unterrichtsräume seien im Berufsbildungszentrum Rorschach, im reformierten Kirchgemeindehaus Rorschach und im Technischen Zentrum Marmorsäge Goldach.

(Lea Müller/St. Galler Tagblatt v. 05.10.10)  

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