Das Rad zurückdrehen
Auf dem Rhein soll wieder ein Dampfschiff mit Schaufelrädern verkehren. Analog der legendären und vor 40 Jahren ausgemusterten «Schaffhausen».
Volle Kraft zurück: Eduard Joos und weitere Kantonsräte wollen Dampf machen. Das Rad der Geschichte zurückdrehen. In einem Postulat fordern sie, wie berichtet, die Anschaffung eines Dampfschiffes. Die Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) könnte damit, meinen sie, den Tourismus nachhaltig ankurbeln. Ältere Semester denken da natürlich sofort an die «Schaffhausen». Der legendäre Raddampfer wurde vor 40 Jahren aus dem Verkehr gezogen. Und dann verschrottet. Nur ein Steuerrad ist übriggeblieben. Trotzdem ist die «Schaffhausen» noch immer in aller Munde: Die Confiserie Reber bietet den Dampfer als Schokoladenschiffchen an; die Schachtel mit den Süßigkeiten enthält sogar einen Beipackzettel mit einigen Eckdaten des Schiffes.
Die Fakten im Detail: Vor der Schiffstaufe startete die halbfertige «Schaffhausen» im Dezember 1912 von der Werft in Langwiesen nach Romanshorn. Ein Dampfkessel sollte noch in den von den Gebrüdern Sulzer gelieferten Schiffskörper eingebaut werden. Im Mammern blieb der Kahn aber erst einmal für zwei Tage stecken. Nebel. Und auf der Rückfahrt von Romanshorn kam es, wie es hieß, zu einer «unliebsamen Kollision» mit der Steiner Brücke. Die «Schaffhausen» stellte auch später für jeden Steuermann eine Herausforderung dar, sagt Rolf Germann rückblickend.
Das 47 Meter lange und 9,5 Meter breite Schiff war schwer zu manövrieren. Gesteuert wurde hinten, nicht vorn. Germann war Kapitän und während 47 Jahren mit der Flotte unterwegs. Die alten Seebären der URh sehen sich noch immer regelmäßig - und sind skeptisch, wenn vom Bau eines neuen Raddampfers die Rede ist. Dampfschiffe brauchen Platz und eignen sich vor allem für Seen. Das restaurierte «königlich württembergischen» Dampfschiff «Hohentwiel» auf dem Bodensee ist ein Beispiel. Oder die Dampfer auf verschiedenen Schweizer Seen. Praktisch alle Raddampfer werden heute aber nicht mehr mit Kohle oder Holz, sondern mit Öl betrieben, wie ab den Fünfziger Jahren auch die «Schaffhausen».
Die Jungfernfahrt der für ein Fassungsvermögen von 400 Personen gebauten «Schaffhausen» fand am 13. Mai 1913 statt. Tage zuvor wurde der Anlass mangels Beteiligung abgeblasen, dann aber lief alles glatt: Die für 220.000 Franken erstellte «Schaffhausen» mit ihrem abklappbaren Kamin tuckerte gemäß «Intelligenzblatt» in einem «höchst respektablen Tempo» nach Stein am Rhein - angeblich in «eineinviertel Stunden», was in der Fachwelt allerdings bezweifelt wurde. Im Schlepptau nahm die zwischen Schaffhausen und Konstanz eingesetzte «Schaffhausen» jeweils auch Weidlinge samt ihren Stachlern mit, für sieben Franken fünfzig bis Öhningen, wie sich Modellbauer Hans Bendel erinnert. Auch er hat sich für die Rettung der «Schaffhausen» eingesetzt, als der Raddampfer 1966 nach dem Willen der Aktionäre ausgemustert werden sollte.
Ganze 53 Jahre war die «Schaffhausen» im Dienst. Bis zu ihrer Verschrottung soll das Schiff ohne größere Pannen 490.000 Kilometer zurückgelegt haben. Das sind zwölf Erdumrundungen. Das Ende läutete die Schifffahrtsgesellschaft mit einer «Dampfschiffwoche» ein, es wurde musiziert, getanzt. Und kurz darauf, am 24. Mai 1967, ging's noch einmal los. Zum letzten Mal und ohne Passagiere. «Als die <Schaffhausen> am Konstanzer Hafen vorbeifuhr, ertönten die Sirenen der dort im Hafen liegenden Schiffe. Böllerschüsse begleiteten das stolze Schiff zu seiner letzten Fahrt in den Obersee», schrieben die «Nachrichten». Aus und vorbei. Wehmut schlich sich ein - ein Gefühl, das unseren Vorfahren im 19. Jahrhundert interessanterweise fremd war: Die Fahrt nach Stein sei «langweilig» und werde «selten von Reisenden mitgemacht», schrieb noch anno 1840 Chronist Eduard Imthurn.
Raddampfer Als Modell noch in der «Badstube» und bald wieder im Museum zu sehen
Von der «Schaffhausen» mit seinen typischen Schaufelrädern erstellte Hans Bendel zwei originalgetreue Modelle im Auftrag damals von Ernst Schaad. Stadtpräsident Franz Hostettmann, der das Postulat zum Bau eines wie auch immer gearteten Dampfschiffes ebenfalls unterstützt, erinnert sich, dass der Gastwirt in der «Badstube» die «Schaffhausen» retten, vor der Schifflände in Stein am Rhein verankern und als Restaurationslokal betreiben wollte. Das Projekt zerschlug sich. Ein Modell des Schiffes (und ein Steuerrad) befindet sich aber nach wie vor in der Badstube, das andere stand als Leihgabe jahrelang im Ortsmuseum Diessenhofen. Ab Juni ist das zwei Meter große Modell nach Auskunft von Daniel Grütter wieder im Museum zu Allerheiligen zu sehen, und zwar im Rahmen der neuen kulturhistorischen Dauerausstellung «Schaffhausen im Fluss».
(Martin Schweizer/Schaffhauser Nachrichten v.
26.04.08)