Das MS Thurgau wieder auf
Kurs
Im Führerstand hängt eine Messingtafel: MS
Thurgau, gebaut 1965 in der Bodan-Werft Kressbronn. Das 46 Jahre alte Schiff hat
Oldtimer-Qualitäten und dank seines Liftings in den letzten paar Monaten ist es
praktisch wieder wie neu.
«Wir sind sehr froh, dass wir die «Thurgau»
wieder hier haben», sagt Walter Herrmann, Direktor der Schifffahrtsgesellschaft
Untersee und Rhein. Von Oktober bis Ende Mai lag die «Old Lady» der vier
Kursschiffe der URh in der Werft. «Ganz so einfach hat sich das Lifting nicht
gestaltet», blickt Herrmann zurück. Kaum war die Bodan-Werft mit der Generalüberholung
betraut – das MS Thurgau lag bereits ausgeschlachtet in der Werft – meldete
diese Insolvenz an. «Das ist etwa so, wie wenn ein Operateur während der
Operation einen Herzinfarkt erleidet», vergleicht Herrmann die Situation im
vergangenen Winter.
Die Schwierigkeiten wurden gemeistert. «Insbesondere
dank unseres Projektleiters Martin Böller und unseres Mitarbeiters Herbert
Rispy», sagt Herrmann. Der Maschinist der MS Thurgau habe in der Werft selbst
Hand angelegt und so manche Weiche richtig gestellt.
«Die Generalüberholung habe sich gelohnt»,
zeigt sich Projektleiter Martin Böller zufrieden. Die vorgegebenen Ziele wurden
erreicht. Das MS Thurgau ist mit ihren zwei neuen 490 PS starken Motoren mit
Partikelfilter umweltfreundlicher. Das Schiff ist behindertengerecht mit einem
Treppenlift ausgestattet, Navigation und übrige Anlagen sind auf dem neusten
technischen Stand. Der Komfort für die Fahrgäste hat sich erheblich durch neue
Lüftung, Heizung und Toilettenanlagen verbessert. Im Unterdeck schwebt nicht
mehr der Geruch von Dieselöl. Die Motoren hört man nur noch leise brummen.
Für die Innenraumgestaltung des Schiffes hat
die Schifffahrtsgesellschaft den erfahrenen Schiffsinnenarchitekten Kurt Steiner
an Bord geholt. Mit Mut zur Farbe präsentiert sich das MS Thurgau nun auch
unter Deck – nicht mehr altertümlich, sondern hell und freundlich. Helle
Fensterfronten ergänzen sich mit dunklen Wandverkleidungen. Ein Laminat täuscht
einen Holzschiffsboden vor. Die Bestuhlung ist nicht eng – gepolstert und in
Gelb gehalten bringt sie die Sonne in den Raum. Das Office hat eine gelb-grünliche
Verkleidung bekommen und mit ausgesuchten Materialien hat sich die Raum-Akustik
verbessert. Einfallsreich die Tische auf dem Oberdeck, die Tischplatte dient
auch als Streckenkarte.
«Bei der Farbgebung musste ich ab und zu über
meinen Schatten springen, aber es hat sich gelohnt», ist Walter Hermann mehr
als zufrieden. Was den Direktor der Schifffahrtsbetriebe ebenfalls mit Stolz erfüllt:
Trotz aller Turbulenzen hat die Schiffsrenovation lediglich 2,45 Millionen
Franken gekostet. Der Kredit von 2,6 Millionen wurde nicht ausgeschöpft. Ein
neues Schiff hätte rund 7 Millionen Franken gekostet.
Wenn die «Thurgau» nun ab heute Samstag
wieder den Kursverkehr aufnimmt, tut sie dies auf der ganzen Strecke von
Schaffhausen bis Kreuzlingen. «Der Pegelstand in Rheinklingen ist nach wie vor
knapp und im See ist der Wasserstand immer noch beängstigend tief», sorgt sich
Walter Herrmann. Es sei pervers, aber im Moment freue er sich als
Schifffahrtsdirektor mehr am Regen als am Sonnenschein. Er könne es nicht
verhehlen, aber er mache sich wegen des tiefen Wasserstandes große Sorgen im
Hinblick auf die Hauptsaison. An Pfingsten aber sollte vorerst einer
genussvollen Schifffahrt auf Untersee und Rhein nichts entgegenstehen.
(Barbara
Hettich/St. Galler Tagblatt v. 11.06.11)