Ein Brückenspringer ist
in Diessenhofen nicht im Rhein gelandet, sondern auf einem Boot aufgeschlagen.
Das heizt die Diskussionen für ein Verbot des Brückenspringens an. Der Thurgau
will ein Teilverbot.
Ausgerechnet in diesem
Sommer ist es passiert. Mit einer neuen Kampagne warnen die Kantonspolizeien
Thurgau und Schaffhausen vor den Gefahren des Brückenspringens am Rhein. «Springen
von der Brücke ins Wasser auf eigene Gefahr», steht auf Plakaten. Brückenspringer
sollen auf Boote achten, die unter der Brücke durchfahren. Trotzdem ist am
Samstag in Diessenhofen ein 46jähriger Brückenspringer auf einen Weidling gestürzt
und hat sich sowie eine Frau auf dem Boot verletzt.
«Erstmals seit Menschengedenken» sei so etwas passiert, sagt Diessenhofens
Stadtammann Walter Sommer. Vergleichbare Unfälle seien in den letzten Jahren
nicht gemeldet worden, bestätigt der Sprecher der Kantonspolizei Thurgau, Rolf
Müller. Aber immer wieder komme es zu gefährlichen Situationen.
Sprung direkt vors Schiff
«Es kommt oft vor, dass Leute direkt vors Schiff springen», sagt Thomas
Rist, Sprecher der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein. Man habe darauf
warten können, bis ein Unfall wie in Diessenhofen passiere. Der Vorfall heizt
die Diskussionen um ein Verbot für das Brückenspringen an. «Ein Verbot wäre
gut», sagt Rist, «dann wäre endlich klar, was gilt.» Vor allem Auswärtige,
wie der unglücklichen Brückenspringer vom Samstag, seien sich der Gefahren zu
wenig bewusst.
Entwurf für Verbot liegt vor
Ein Verbot hat die auch für den Rhein zuständige Internationale
Schifffahrtskommission für den Bodensee in Vorbereitung. Sie hat die revidierte
Bodensee-Schifffahrtsordnung in die Vernehmlassung geschickt. Neu verboten sein
sollen demnach Sprünge von der Brücke ins Fahrwasser.
Gegen ein Verbot wehrt sich der Diessenhofer Stadtammann Sommer. Brückenspringen
sei in Diessenhofen eine Tradition. «Man darf nicht wegen eines einzelnen
Vorfalls eine bewährte Regelung ändern», sagt Sommer. Wer von der Brücke
springe, tue das auf eigene Verantwortung. Ein Verbot sei ohnehin nicht
durchsetzbar. Ähnlich argumentiert auch der Schaffhauser Regierungsrat, der
sich ebenfalls gegen ein Verbot ausgesprochen hat.
Eine differenziertere Haltung hat der Thurgauer Regierungsrat. Er hat sich in
der Vernehmlassung zur neuen Schifffahrtsordnung nicht grundsätzlich
gegen ein Verbot ausgesprochen. Es sei aber kaum möglich, wie vorgesehen den
Sprung ins Fahrwasser zu verbieten, weil dieses im Rhein kaum zu definieren sei,
präzisiert Stephan Felber, Generalsekretär des Departements für Justiz und
Sicherheit.
Thurgau macht neuen Vorschlag
Der Thurgauer Regierungsrat schlägt darum eine andere Formulierung vor:
Springen von der Brücke soll dann verboten sein, wenn sich Schiffe nähern.
Damit würde das, was heute schon empfohlen wird, rechtlich bindend. «Dagegen
kann niemand etwas haben», sagt Felber.
Die Bodensee-Schifffahrts-Ordnung verpflichtet nämlich Badende, in der Nähe von Landestellen – was bei den Rheinbrücken der Fall ist – grösstmöglichen Abstand von Kursschiffen zu halten. Diese Regel greift aber nicht, wenn der Springer ein privates Boot trifft – wie am Samstag geschehen. Dann dürfte laut Stephan Felber, Generalsekretär des Departements für Justiz und Sicherheit, nur der zivilrechtliche Weg bleiben: Die geschädigte Person müsste den Brückenspringer verklagen. Mit dem Thurgauer Vorschlag für ein differenziertes Verbot gäbe es dagegen auch in solchen Fällen ein Strafverfahren.
(Christof Widmer/St. Galler Tagblatt v. 23.08.11)