Asyl für eine Flotte

Die österreichische Bodenseeschifffahrt feiert das 125-Jahr-Jubiläum. Die rot-weiß-rote Flotte hat eine bewegte Vergangenheit, in der die Schweiz eine nicht unwichtige Rolle spielt.

«Hoch, hoch!» werden die Bregenzer nicht mehr rufen, wie damals im September 1884, als Kaiser Franz Josef I. mit Gemahlin Sissi und Hofstaat an den Bodensee gekommen war, um «gnädigst» die Hafeneröffnung vorzunehmen und mit Dampfschiffen Ausfahrten zu machen. Aber die heutigen Eigner, die Vorarlberger Lines, nehmen das Datum zum Anlass, vom 2. bis 5. Juli das 125-Jahr-Jubiläum der rot-weiß-roten Bodenseeschifffahrt zu feiern.

Keine Habsburger Namen mehr

Schon vor der Hafeneröffnung war 1883 die k. k. Bodensee-Schifffahrtsinspektion Bregenz gegründet worden. Deren Leiter ließ eine neue Hafenanlage erstellen, die in den Grundzügen bis heute besteht. Daneben wurden neue Schiffe wie der Salondampfer «Kaiser Franz Joseph I.» und eine Anlage zur Verschiffung von Eisenbahnwaggons gebaut.

Hatte noch 1901 die «Stadt Bregenz»* die Jungfernfahrt angetreten, brachte der Erste Weltkrieg einen Niedergang der Bodenseeschifffahrt mit sich. Kohle für die Vergnügungsdampfer stand nicht mehr zur Verfügung.

Das Ende des Krieges bedeutete das Ende für das österreichische Kaiserreich – an Habsburg erinnernde Schiffsnamen wurden ersetzt.

Als neue Eigner nahmen die Österreichischen Bundesbahnen 1928 die «Österreich» in Betrieb und läuteten das Zeitalter der Motorschiffe am Bodensee ein. Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich lief 1939 ein zweites Motorschiff vom Stapel.

Zuflucht in der Schweiz

Mit der Einverleibung Österreichs ging auch die österreichische Bodenseeschifffahrt an die Deutsche Reichsbahn über. Die Schiffe wurden nach Lindau überstellt, die Schifffahrtsinspektion Bregenz 1940 aufgelöst.

Vier Jahre später wurde der Schiffsverkehr jedoch eingestellt, zu oft tauchten Bomber der Alliierten am Himmel auf. Gegen Ende des Zweitem Weltkrieges befürchteten die Nationalsozialisten, die Schiffe könnten den Franzosen in die Hände fallen und bereiteten sie zur Versenkung vor. Bürger konnten dies in letzter Sekunde verhindern: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden vier österreichische und sechs bayrische Schiffe für die letzten Kriegstage in Häfen am Schweizer Ufer überstellt.

Nach dem Krieg wurde die Bodenseeflotte durch Ausflugsboote und Neubauten erweitert. 2006 verkauften die ÖBB die Bodenseeflotte für umgerechnet rund 10 Millionen Franken an eine Eigentümergruppe mit der Flottenbezeichnung «Vorarlberg Lines». Das Unternehmen hat in der letzten Saison 582.000 Passagiere transportiert.

(Gernot Grabher/St. Galler Tagblatt v. 16.05.09)

*Anm. v. Bodenseeschifffahrt.de: Der Salondampfer "Stadt Bregenz" wurde am 22.07.1910 getauft und in Dienst gestellt.

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