Das war 2020...
Ein Rückblick auf die Bodenseeschifffahrt 2020
Das Jahr 2020 wird in die Geschichte eingehen, als das
Jahr, in welchem der Menschheit ihre Grenzen aufgezeigt wurde und wir erkennen
mussten, dass wir nicht alles im Griff haben und steuern können.
Auch bei
der Bodenseeschifffahrt hat ein Virus mit der nüchternen Bezeichung SARS-CoV-2
tiefe Spuren hinterlassen und beinahe das gesamte vergangene Jahr geprägt.
Der Jahreswechsel 2019/2020 konnte noch unbeschwert auf den zahlreichen Tanz- und Partyschiffen auf dem See gefeiert werden. Die Schiffsbetriebe standen bereits in den Startlöchern für die anstehende Saison mit zahlreichen, geplanten Highlights wie der Landesgartenschau Überlingen, den Bregenzer Festspielen oder den Seenachtsfesten mit ihren prachtvollen Feuerwerken. Der Schiffsbetrieb Deinis aus Bodman hat zum Jahreswechsel 2019/2020 das MS St. Georg vom Schiffsbetrieb Hunziker aus Stein am Rhein übernommen. Das Fahrgastschiff soll für Rund-, Sonder- und Charterfahrten ab Bodman eingesetzt werden.
Der Umwelt- und Klimaschutz nimmt in der Geschäftspolitik
der einzelnen Schiffsbetriebe am Bodensee einen sehr hohen Stellenwert ein. Die
meisten Fahrgastschiffe sind mittlerweile mit treibstoffsparenden Motoren und
modernsten Abgasreinigungsanlagen ausgerüstet. Im Winterhalbjahr 2019/2020
erhielt das MS Arenenberg der
Schifffahrtsgesellschaft Untersee & Rhein (URh) in der betriebseigenen Werft in
Langwiesen eine neue Motorenanlage und zwei neue Schottel-Ruderpropeller. Dabei
wurde auch die gesamte Steuerhaustechnik erneuert. Beinahe gleichzeitig wurde in
der Werft in Romanshorn das MS St. Gallen,
der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft AG (SBS) modernisiert.
Auch dieses, mittlerweile 53 Jahre alte Fahrgastschiff erhielt eine neue
umweltgerechtere Motorenanlage. Im Rahmen dieser umfangreichen Werftarbeiten
wurde auch die Inneneinrichtung komplett erneuert. Im Herbst 2019 hatte bereits
das MS Schwaben
(Bodensee-Schiffsbetriebe BSB) in der Werft in Friedrichshafen zwei neue
Antriebsmotoren erhalten, nachdem das Schiff in Folge eines irreparablen
Schadens an einem Hauptmotor seit Juli 2019 nicht mehr eingesetzt werden konnte.
Weitere Neu-Motorisierungen sind bereits in Planung. So soll die
MF Euregia, welche von BSB und SBS
gemeinsam betrieben wird im Winter 2020/2021 eine neue Motorenanlage erhalten.
Die sich im Bau befindliche Auto- und Personenfähre der Stadtwerke Konstanz wird
mit einem neuartigen Antrieb ausgerüstet. Dieser wird mit verflüssigtem Erdgas
(Liquified Natural Gas - LNG) betrieben, welches zum Teil in der Region
hergestellt werden soll. Weiterhin gibt es Planungen für elektrobetriebene
Fahrgastschiffe und -fähren, welche in der Zukunft auf kurzen Strecken auf dem
Bodensee eingesetzt werden sollen. Der Untersee-Schiffsbetrieb in Ermatingen
plant für die Saison 2021 den Einsatz eines solarbetriebenen Fahrgastschiffes
auf dem Untersee.
Bereits im Dezember 2019 berichteten verschiedene Medien
über die Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit der Bezeichnung "COVID-19" im
chinesischen Wuhan. Verursacht wird diese Erkrankung durch ein neuartiges
Coronavirus mit der Bezeichnung "SARS-CoV-2". Am 21. Januar 2020 wurde die erste
Infektion in Oberbayern festgestellt. In den folgenden Wochen breitete sich die
Infektion in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Die Regierungen der
einzelnen Staaten, Bundesländer und Kantone reagierten in der Folge mit
unterschiedlichen Maßnahmen.
Einschneidend war die Grenzschließung zwischen
Deutschland, Österreich und der Schweiz am 16. März 2020. Ab dem 17.03.2020
wurde der Fährverkehr zwischen Friedrichshafen und Romanshorn komplett
eingestellt, nachdem die Schweizer Zollverwaltung den Grenzübergang Romanshorn
geschlossen hatte. Auch grenzüberschreitende Sonderfahrten konnten nicht mehr
stattfinden.
In Folge der Ausweitung der Ausgangsbeschränkungen und der
Schließung von Handeslgeschäften, Gastronomiebetrieben und Kultur- und
Freizeiteinrichtungen sanken die Fahrgastzahlen bei der Auto- und Personenfähre
Konstanz-Meersburg und den Bodensee-Katamaranen zwischen Friedrichshafen und
Konstanz deutlich. Die Reedereien reagierten mit einer drastischen Reduzierung
der Fahrten. Bei den Katamaranen wurde der Verkehr an den Wochenenden komplett
eingestellt.
Ab dem 25.03.2020 wurden für den Güterverkehr wieder einzelne
Überfahrten mit der Fähre zwischen Friedrichshafen und Romanshorn erlaubt. Der
geplante Saisonbeginn der Schiffsbetriebe an Ostern wurde zunächst auf
unbestimmte Zeit verschoben, die für den 25.04.2020 geplante Flottensternfahrt
zur Landesgartenschau nach Überlingen wurde abgesagt bzw. auf das Jahr 2021
verschoben.
Nachdem die Zahl der Erkrankungen mit COVID-19 in Folge
der getroffenen Maßnahmen Anfang Mai zurückging, stiegen die Hoffnungen auf
einen baldigen Saisonstart. Ab dem 11.05.2020 verkehrten die Bodensee-Katamarane
an Werktagen wieder im 2-Stunden-Takt und auch an Samstagen wurde wieder ein
Kursverkehr angeboten.
Am Mittwoch, 20.05.2020 nahmen die
Bodensee-Schiffsbetriebe BSB und verschiedene lokale Schiffsbetriebe am
Überlinger See den Kursverkehr am deutschen Bodenseeufer auf. Wegen der
unterschiedlichen "Corona-Regeln" in den einzelnen Ländern, durften zunächst nur
Anlegestellen in Baden-Württemberg angelaufen werden. Jeweils ein Kursschiff aus
Bregenz und Lindau fuhr leer bis Kressbronn und nahm dort die ersten Fahrgäste
an Bord. Ab dem Bregenzer Hafen durften nur Rundfahrten angeboten werden.
Ab
Pfingstsonntag, 31.05.2020 durften auch die bayerischen Anlegestellen wieder im
Kursverkehr angelaufen werden. Erst am 06.06.2020 durften die Kursschiffe der
Schweizer Schiffsbetriebe ihre Fahrten aufnehmen. Länderübergreifende Fahrten
waren schließlich ab dem 16.06.2020 möglich. Deutsche und Schweizer Schiffe
feierten diese Grenzöffnung am 19.06.20 mit einer kleinen Sternfahrt vor
Radolfzell.
Die Fahrten wurden unter strengsten Hygienevorschriften durchgeführt. Beim Ein- und Aussteigen sowie bei Bewegungen an Bord gilt eine strenge Maskenpflicht und es werden auf jedem Schiff die Fahrgastzahlen reduziert, so dass genügend Sicherheitsabstände zwischen den Passagieren gewährleistet werden können. Dieselben Abstandsregeln gelten auch an den Hafenkassen und Anlegestellen. Die Bordgastronomien bieten während der Saison 2020 nur ein begrenztes Angebot an. In Folge der Coronamaßnahmen im Frühjahr hatte der bisherige Gastronomiepächter seinen Vertrag mit den Bodensee-Schiffsbetrieben BSB vorzeitig gekündigt. Als Grund wurde eine fehlende finanzielle Unterstützung seitens der BSB während des "Lockdowns" und ein fehlendes Konzept für Angebote unter "Corona-Bedingungen" genannt. Ende Juni 2020 wurde mit dem Konstanzer Gastronomieunternehmen „Müller und Springer Bordgastronomie“ ein neuer Pächter für die Schiffe "Überlingen" und "Karlsruhe" vorgestellt. Bereits am 01.05.2020 war der mehrjährige Pachtvertrag zwischen der Komitee Eventservice Marberger GmbH für das Eventschiff "Sonnenkönigin" ausgelaufen. Die Bewirtschaftung und Organisation von Fahrten wird jetzt von der Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt, der Eigentümerin des Schiffes, selbst durchgeführt.
Am 26.06.2020 wurde die neue Fähre der Stadtwerke Konstanz in der Werft in Fussach vom Stapel gelassen und eingewassert. Seit Januar 2020 waren die von der Hamburger Werft Pella Sietas gelieferten Teile in Fussach zusammengebaut worden. Im Anschluss an den Stapellauf wurde der Neubau von der Fähre "Tabor" in einer sechstündigen Fahrt in den Fährhafen in Konstanz-Staad geschleppt. Dort erfolgt der weitere Ausbau. Bedingt durch die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bauwerft und mehrere Partnerfirmen verzögert sich dieser. Eine Indienststellung im Jahr 2020 konnte nicht erfolgen, die Betriebsaufnahme ist jetzt für den Sommer oder Herbst 2021 geplant.
Mit mehreren Wochen Verspätung begann die fahrplanmäßige
Hauptsaison bei der Bodenseeschifffahrt erst Mitte Juli. Nachdem internationale
Reisen im Jahr 2020 nur sehr begrenzt möglich waren, erfreute sich die
Bodenseeregion bei vielen Tagesausflüglern und Urlaubern einer noch größeren
Beliebtheit als in den vergangenen Jahren. Zahlreiche Gäste nutzten die
Kursschiffe und erfeuten sich bei einer Rundfahrt an den Schönheiten des
Bodensees.
Leider mussten als Folge der weiterhin geltenden Maßnahmen gegen
eine weitere Ausbreitung des Coronaviruses zahlreiche Sonderfahrten gestrichen
werden. Die Landesgartenschau in Überlingen wurde komplett auf das Jahr 2021
verschoben und damit alle in Verbindung stehenden Sonderfahrten. Ebenso mussten
die Bregenzer Festspiele mit allen Aufführungen der Verdi-Oper "Rigoletto" auf
der Bregenzer Seebühne abgesagt werden. Im Jahr 2020 fanden auch keine
Seenachtsfeste statt. Dementsprechend wurden die abendlichen Fahrten zu den
Feuerwerken nach Arbon, Friedrichshafen, Langenargen, Unteruhldingen,
Konstanz/Kreuzlingen und Bregenz gestrichen.
Auch die sich großer Beliebtheit
erfreuenden PARTYBOOTE XXL auf der Fähre
"Euregia" konnten im gesamten Jahr 2020 coronabedingt nicht auslaufen. Im
September kam es zu Verstößen gegen Hygienevorschriften an Bord einer
schweizerischen Partyfähre mit strafrechtlichen Konsequenzen für den
Veranstalter.
Bereits im September machten sich die steigenden
Coronafallzahlen in der Schweiz und die damit wieder rückläufigen Fahrgastzahlen
bemerkbar. Zu Beginn der Herbstsaison wurde der Kursverkehr zwischen Rorschach,
Romanshorn und Kreuzlingen, sowie Altnau und Hagnau eingestellt. Am Wochenende
gab es noch Kursfahrten zwischen Rorschach und Lindau, sowie Rorschach und
Rheineck. Auch auf der Strecke Kreuzlingen-Schaffhausen wurde der Fahrplan
eingeschränkt.
Am deutschen und österreichischen Ufer wurde die
Kursschifffahrtssaison planmäßig am 18.10.2020 beendet. Einzelne Kurs- und
Rundfahrten wurden noch bis Ende Oktober durchgeführt. Nachdem auch in
Deutschland und Österreich steigende Infektionszahlen zu verzeichnen waren,
wurden als Folge der Beschlüsse der Länder zur Eindämmung der Corona-Pandemie
alle Sonderfahrten im Winterhalbjahr abgesagt. Dies betraf auch die beliebten
Nikolaus- und Silvesterfahrten. Ab wann im Frühjahr 2021 wieder Fahrten
angeboten werden können, ist zum heutigen Zeitpunkt noch völlig offen.
Der verspätete Saisonbeginn im Jahr 2020, die Absage zahlreicher Sonderfahrten im gesamten Jahr und die geltenden Vorsichtsmaßnahmen bescherten den einzelnen Schiffsbetrieben Rückgänge bei den Fahrgastzahlen von bis zu 50% und teilweise Verluste von mehreren Millionen Euro. Die wirtschaftlichen Folgen dieses Krisenjahres sind auch für die Bodenseeschifffahrt heute noch nicht absehbar. In wie weit Investitionen zurückgestellt oder gestrichen werden müssen bleibt abzuwarten. Teilweise konnten die Verluste durch staatliche Finanzhilfen etwas ausgelichen werden, diese sind aber erst sehr spät geflossen und oft nur "ein Tropfen auf den heißen Stein".
Die Saison 2020 verlief größtenteils unfallfrei. Am 10.07.2020 kollidierte eine Motoryacht mit der Fähre "Kreuzlingen" vor dem Fährhafen Konstanz-Staad. Aufgrund des Ausfalls eines Motors und starkem Wind wurde das Freitzeitschiff gegen die Fähre getrieben. Verletzt wurde bei dieser Kollision niemand, an der Motoryacht entstand Totalschaden. Zwei Wochen später prallt das Motorschiff "Rheinegg" auf einer Kursfahrt nach Rorschach an der Mündung des Alten Rheins gegen eine Spundwand und läuft auf Grund. Das Schiff ist nicht mehr fahrtüchtig. 27 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder werden von der Seerettung Rorschach an Land gebracht. MS Rhynegg wird in der Saison 2020 nicht mehr eingesetzt und in der Werft in Romanshorn repariert. Beim Betanken von MS Konstanz kam es am 03.08.2020 zu einem Ölunfall im Lindauer Hafen. Durch einen technischen Defekt gelangt Dieselkraftstoff in den See. Feuerwehr und THW können eine Ausbreitung des Ölfilmes mit Sperren und einem Absauggerät verhindern. MS Konstanz kann nach zwei Tagen wieder eingesetzt werden. Am 06.08.2020 kollidiert auf Höhe des Hörleparks Konstanz ein Fahrgastschiff mit einem Segelboot. Es wird auch hier niemand verletzt, am Boot entsteht ein beträchtlicher Schaden. Gegen den Schiffsführer des Fahrgastschiffes wird ein Ordnungswidrigskeitsverfahren eingeleitet. Starke Regenfälle in den Bergen verursachen Ende August größere Treibholzfelder im östlichen Bodensee. Das Lindauer und Wasserburger Ufer sind hier am meisten betroffen, es kommt zu kleineren Behinderungen für den Schiffsverkehr.
Bleibt noch ein Blick voraus in das Jahr 2021. Auch das
neue Jahr und damit die Bodenseeschifffahrt wird von der weiteren Entwicklung
des Coronavirus bestimmt. Es bleibt zu hoffen, dass die Schifffahrtssaison wie
geplant an Ostern starten kann und sich die finanziellen Einbußen aus dem Jahr
2020 in Grenzen halten. Die Landesgartenschau 2020 in Überlingen soll vom 09.04.
bis 17.10.2021 nachgeholt werden. Vom 20.05.2021 bis 26.09.2021 findet parallel
die Bayerische Landesgartenschau in Lindau statt. Wann das neue Fährschiff der
Stadtwerke Konstanz in See sticht, ist noch offen. Ab der Saison 2021 soll die
Anlegestelle "Marienschlucht" wieder im Kursverkehr angelaufen werden können.
Ein neuer Steg an diesem beliebten Ausflugsziel wird gerade installiert.
Damit beschließe ich diesen besonderen Jahresrückblick. Mein Dank gilt wieder allen Besuchern und Unterstützern dieser
Internetseite. Herzlichen Dank an alle Schiffsbetriebe und Medien am Bodensee für die Zusammenarbeit und Unterstützung im vergangenen Jahr.
Vielen Dank an alle Freunde der Bodenseeschifffahrt, die mich auch in diesem
Jahr und in den letzten, bald 21 Jahren mit vielen schönen aktuellen und
historischen Bildern und Beiträgen unterstützt haben. Etwa 471.000 Besucher
haben im Jahr 2020 unsere Seiten besucht - vermutlich auch coronabedingt ein
Rückgang von knapp 40% im Vergleich zu 2019. Einzelne Seiten wurden dennoch mehr als 2,4 Millionen mal aufgerufen.
Herzlichen Dank - auch allen Besuchern unseres
Facebook-Auftrittes und unseres
Forums für die Besuche und Beiträge.
Ich versuche Sie auch im Jahr 2021 aktuell über die Bodenseeschifffahrt zu informieren
und freue mich über zahlreiche Besucher auf Bodenseeschifffahrt.de.
Ich wünschen Ihnen/Euch allen einen guten Start in ein erfolgreiches und
glückliches Jahr 2021
und wieder viele schöne Stunden am und auf dem Bodensee. Bleiben Sie bitte alle
gesund!
Florian Scholz
(Bodenseeschifffahrt.de v. 31.12.20)
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