Probleme
mit dem „Grünen Ball“
In den
vergangenen Wochen ist in den Medien über die Fairness-Auszeichnung des
Bodensee-Segler-Verbands (BSVb) für die Bodensee-Katamarane berichtet worden.
Bei dieser Gelegenheit wurde von Seiten der Segler Kritik an der
Berufsfahrgastschifffahrt laut, die auf ihr Vorrangrecht auf dem See
(gekennzeichnet durch das Setzen eines grünen Balls oder eines grünen
Toplichts) beharre und dieses missbräuchlich verwende.
Hierzu haben wir nachfolgende Stellungnahme von Adolf Franz Konstatzky, Kapitän
des Dampfschiffs Hohentwiel bekommen.
Stellungnahme
der Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft
Nachdem
zunehmend gezielt Falschmeldungen in Umlauf gebracht werden, wonach die
Hohentwiel „stur auf ihren Kurs“
beharre und widerrechtlich den grünen Ball führen würde, sehen wir uns
seitens der Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft gezwungen, dazu wie folgt
Stellung zu nehmen.
Gemäß Bescheid vom 15.05.1990 hat die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als zuständige
Behörde dem Dampfschiff Hohentwiel den Vorrang eingeräumt. Die Hohentwiel ist
bei ihren Fahrten zu ca. 50% im Charterverkehr und 50% nach einem veröffentlichten
Fahrplan unterwegs und gilt damit gemäß BodenseeSchO § 1.15 als Fahrzeug, dem
die Behörde auf Antrag einen Vorrang einzuräumen hat.
Eine
Erweiterung dieser Regelung ist möglich, wenn es die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs erfordert. Deshalb wurde die Vorfahrtberechtigung
unbeschränkt ausgesprochen. Diese Entscheidung ist von der Behörde nach
eingehender Einsichtnahme in die besondere Problematik mit der Manövrierbarkeit
eines Dampfschiffes getroffen worden.
Jedes Fahrgastschiff kann aufgrund seiner Größe und Masse Ausweichmanöver nur
innerhalb von bestimmten physikalischen Grenzen ausführen, unabhängig davon,
ob es sich auf einer Kursfahrt befindet oder nicht. Sind wir beispielsweise
gezwungen, mit der Hohentwiel ein Notstopp-Manöver durchzuführen, kann dies
zur Folge haben, dass überraschte Passagiere die Niedergänge hinab
geschleudert werden. Vor allem ältere Fahrgäste und Kinder sind besonders gefährdet.
Diese unvermittelten Bewegungen können aber auch Mitarbeiter der Servicecrew in
gefährliche Situationen bringen, ebenso die Küchencrew, die eine Vielzahl von
heißen Töpfen in der Kombüse auf den Herdplatten stehen hat. Gefährlich ist
dabei immer das plötzliche Eintreten eines Notmanövers ohne Möglichkeit einer
Vorwarnung. Zudem ist bei den wirkenden Kräften mit Beschädigungen der
Maschinenanlagen und Strukturen des Schiffes zu rechnen. Man stelle sich vor,
ein Schaden an der Hauptantriebsanlage tritt bei schlechten äußeren
Bedingungen wie Nebel, Sturm oder Seegang auf. Kommen dann noch weitere ungünstige
Faktoren wie z.B. auflandige Winde in Ufernähe hinzu, können die Folgen fatal
sein.
Ein Schiff ohne Vorrang muss z.B. auf das besonders wichtige
Hafeneinfahrtssignal
verzichten. Dieses Signal hat den Zweck,
die Hafeneinfahrt für das Anlegemanöver
freizumachen. Ein solches, das für die
Hohentwiel aufgrund der schwierigen Manövriereigenschaften schon einige hundert
Meter vorher beginnt, würde ohne dieses Signal zum Spießrutenlauf. Ein
Horrorszenario, gerade bei Häfen mit enger Einfahrt und hohen Hafenmolen in
Verbindung mit hohem Verkehrsaufkommen.
Möchte beispielsweise ein Segel- oder Motorboot im Hafen von Lindau von einem
der
hinteren Liegeplätze auslaufen, kann es
von der Seeseite her hinter der hohen Hafenmauer nicht gesehen werden. Ebenfalls
kann dieses Boot den einfahrenden Verkehr nicht sehen und ist demzufolge auf
Schallsignale angewiesen. Ohne diese würden äußerst gefährliche Situationen
mitten in der Hafeneinfahrt entstehen. Im besten Falle könnte das Anlaufmanöver
mit einem Notstopp abgebrochen werden. In diesem Moment ist das Schiff aber manövrierunfähig,
weil die Maschinenanlage nicht immer so schnell umgesteuert werden kann. Unter
Umständen könnte es auf ein Hindernis, oder wie im Falle der Einfahrt von
Konstanz, von der Strömung des Rheins erfasst und rheinabwärts gegen die Straßenbrücke
getrieben werden.
Kommt bei diesen genannten Szenarien zu allem Überfluss ein Sturm hinzu, der
nochmals eine höhere Manövergeschwindigkeit und zusätzlich noch die gesamte
Breite der Hafeneinfahrt erforderlich macht, ist ein ausfahrendes Segel- oder
Motorboot das Letzte, was ein Kapitän oder Schiffsführer in dieser Situation
brauchen kann.
Als weiteres Beispiel sei der Yachthafen von Meichle und Mohr in Langenargen
genannt, der mit über 1.400 Booten der Größte seiner Art am Bodensee ist.
Ohne Vorfahrt wäre eine Querung des Seeraumes vor der Argenmündung bei schönem
Wetter im Sommer schlichtweg unmöglich, bedingt durch die Vielzahl der ein- und
auslaufenden Boote.
Ebenso
verhält es sich in die Bregenzer Bucht und im Überlinger See, wo man an
Spitzentagen beinahe trockenen Fußes - von Boot zu Boot springend - von einem
Ufer zum anderen gelangen könnte. Hier ein Schiff sicher zu manövrieren ist
schon mit grünem Ball eine große Herausforderung für jeden Kapitän.
An solchen Tagen mit viel Verkehr ist es nicht möglich, einem Segelboot
auszuweichen, ohne einem anderen in die Quere zu kommen. Daraus resultiert
oftmals der Umstand, dass Richtung und Geschwindigkeit beibehalten werden müssen,
was bei Bedarf auch mit einem langen Signal angezeigt wird. Damit wird für alle
Verkehrsteilnehmer eine einschätzbare Situation erzeugt, was nun leider auch
als „stures Verhalten“ fehlinterpretiert wird.
Als unsachgemäße Polemik weisen wir die kürzlich in diese Richtung erhobenen
Vorwürfe zurück. Auch Behauptungen, wonach die Hohentwiel den grünen Ball
missbräuchlich führen würde, sind vollkommen an den Haaren herbeigezogen. All
diese Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage. Unverständlich, dass auch
Personen mit akademischer Bildung solche Aussagen von sich geben. Sollten doch
gerade jene wissen, dass die missbräuchliche Verwendung gemäß BodenseeSchO §3.03
strafbar ist.
Dieselben Personen wollen übrigens alle
Segelschiffbesitzer dazu bewegen, zu Pfingsten 2008 demonstrativ den grünen
Ball zu führen. Wir können nur allen Seglern empfehlen, dieser Aufforderung zu
einer strafbaren Handlung nicht Folge zu leisten.
Wir beharren keineswegs auf unserem Vorfahrtsrecht, vielmehr versuchen wir sehr
wohl
Rücksicht auf alle anderen Boote zu
nehmen. Vor allem bei Flaute wird niemand ein
Segelboot absichtlich in Bedrängnis
bringen. Das gilt auch für ein vor Anker liegendes
Motorboot, weil wir wissen, dass die Belüftung
des Motorraumes vor dem Startvorgang ganz einfach seine Zeit braucht.
Die Brücke der Hohentwiel ist in der Regel immer mit einem Rudergänger und dem
Kapitän oder Obersteuermann bzw. Schiffsführer, also mit zwei Personen
besetzt. Jedes Fahrzeug, welches sich der Hohentwiel nähert, wird zunächst mit
einem Fernglas unter Beobachtung genommen. Wird festgestellt, dass das Cockpit
bzw. der Führerstand des anderen Schiffes nicht besetzt ist, oder dass der
Skipper uns nicht bemerkt hat, wird zur Sicherheit ein langes Signal „Halte
meinen Kurs bei“ abgegeben.
Ich als Kapitän der Hohentwiel bin selbst Segler, verfüge über alle
nationalen und internationalen Patente und kann sehr wohl einschätzten, was für
einen Skipper eines Segelbootes machbar ist und was nicht. Im Gegensatz dazu ist
noch nie einer der kritisierenden Personen auf der Brücke der Hohentwiel
vorstellig geworden, um sich über die Probleme mit der Manövrierbarkeit eines
Dampfschiffes zu erkundigen. Die Ignoranz einzelner Segler auf dem See ist
teilweise erschreckend und grenzt oft an Provokation. So ist als nahezu
kriminell der Umstand zu werten, dass viele Segler nicht einmal die
vorgeschriebenen 50 Meter Sicherheitsabstand beachten, die um ein bevorrangtes
Schiff eingehalten werden müssen. Teilweise nähern sie sich bis auf 2 (zwei!)
Meter den seitlichen Radkästen.
Zur Anzeige brachten wir in der Vergangenheit aber nur sehr gravierende Fälle.
Wenn z.B. Leben unnötig gefährdet, bzw. wenn in fahrlässiger oder vorsätzlicher
Weise trotz Warnsignalen eine gefährliche Annäherung mit dem Risiko einer
Kollision heraufbeschworen, und entgegen BodenseeSchO nichts zur Abwendung der
Gefahr unternommen wurde. So geschehen leider erst kürzlich wieder bei einer
Regatta in der Bregenzer Bucht.
Wenn eine Regatta als solche zu erkennen ist, wird niemand der Besatzung des
Dampfschiffs Hohentwiel den Vorwurf machen können, dass sie jemals absichtlich
in ein Feld eingefahren wäre. Schwierig ist dies aber vor allem bei
Yardstick-Regatten und dann besonders, wenn das Feld schon sehr auseinander
gezogen und nicht mehr als Regatta zu erkennen ist.
In
diesem Zusammenhang ist auch vollkommen unverständlich, warum sich Teilnehmer
auf den hinteren Plätzen wegen ein paar Metern bzw. Sekunden in diese Gefahr
begeben. Aus meiner Erfahrung herrscht hier allgemein der Glaube, dass
Regattateilnehmer automatisch von der Bodensee-Schifffahrtsordnung ausgenommen wären.
Oft kann beobachtet werden, dass Regattaleitungen ohne Rücksicht auf die übrige
Schifffahrt ihre Start- Wende- und Zielbojen direkt vor eine Hafeneinfahrt oder
Landestelle legen. Wenn schon der Ruf nach mehr Rücksichtnahme laut wird, dann
bitte auch in die eigenen Reihen.
Erschwerend für uns ist in diesem Zusammenhang auch, dass wir bisher nie
Kenntnis hatten, wann und wo eine Regatta stattfindet. Eine Information darüber
würde es uns ermöglichen, noch mehr auf die Teilnehmer einer Regatta zu
achten.
Abschließend sei nochmals festgehalten:
Auf dem Bodensee ist die Bodensee-Schifffahrtsordnung in Kraft, an die sich alle
zu halten haben. Die Fahrgastschifffahrt, darunter auch das Dampfschiff
Hohentwiel, die Exekutive und selbstverständlich auch die Freizeitschifffahrt.
Dazu zählen nun auch mal Segler. Kurzum, sie gilt für alle und kann nicht nach
individuellen Gesichtspunkten geändert oder außer Kraft gesetzt werden, wie es
einem gerade so passt. Diese Regeln sind dazu da, dass jeder genau weiß, wie er
sich zu verhalten hat. Ohne Ausnahme. Dies dient der Sicherheit aller
Verkehrsteilnehmer auf dem Bodensee und nicht deren Benachteiligung.
Die Schiffsführer von Fahrgastschiffen haben ohnehin keinen leichten Stand während
des Dienstes auf der Brücke, trotz der Vorfahrt. Es kann nach unserer Ansicht
nicht richtig sein, dass den Seglern jegliche Verantwortung genommen und zusätzlich
den Schiffsführern aufgeladen wird. Auf einem begrenzten Gewässer wie dem
Bodensee muss jeder Verkehrsteilnehmer seinen Beitrag zu einem sicheren
Miteinander leisten.
Schon mit gesundem Menschenverstand kann jeder für sich die Frage beantworten,
wem es unabhängig von der Gesetzeslage leichter fallen würde, dem Anderen
Vorfahrt zu gewähren.
Dem hauptberuflichen Schiffsführer, der
für viele Menschen verantwortlich ist und den
ganzen Tag mit viel Umsicht und höchster
Konzentration über den See fahren muss, oder dem Segler, der zu seinem reinen
Vergnügen auf dem See unterwegs ist und in der Regel unter keinerlei Zeitdruck
steht.
Die Präsidenten der Yacht- und Segelclubs sollten vielmehr auf ihre eigenen
Mitglieder
positiven Einfluss ausüben und um eine
Beruhigung der Situation bemüht sein und nicht in eine kollektive
Vor-Verurteilung aller anderen Verkehrsteilnehmer auf dem See einfallen.
Adolf Franz Konstatzky
Kapitän DS Hohentwiel
(Pressemeldung
v. 27.11.07)