Besucher stürmen
historische Fähre
Die
alte Bodenseefähre Meersburg ex Konstanz
ist beim Tag des offenen Denkmals sehr beliebt. Auch Otto Carolus sieht sie noch
einmal Er war früher Schiffsführer auf der alten Fähre.
Der Shanty-Chor singt „Leinen los!“, doch
noch muss die Meersburg ex Konstanz im Staader Hafen bleiben. Die erste
motorisierte Autofähre auf einem Binnensee Europas kann voraussichtlich erst im
Frühjahr zu Ausflugsfahrten in See stechen. Noch sind die Arbeiten an den alten
und neuen Antriebsmotoren nicht abgeschlossen. Noch wird an der Feinjustierung
des sanierten alten Fähranlegers gearbeitet, der in strahlendem Blau vor dem
Betriebsgebäude der Stadtwerke steht. Die vielen Menschen, die zum Tag des
offenen Denkmals zum Thema Reisen, Handel, Verkehr die sanierte Fähre besuchen,
müssen deshalb über einen Holzsteg gehen. Doch sie kommen gern. Sie wollen
sehen, was in den 14 Jahren passiert ist, in denen Bürger die Sanierung des
historischen Boots vorangetrieben haben, das schrottreif war und beinahe
abgewrackt worden wäre. Auch um den Erhalt des Anlegers hatten Bürger gekämpft.
„Wir haben oft gezweifelt, ob sie es
schaffen“, sagt Marlies Hirt, die die Arbeiten des Vereins Rettet die
Meersburg ex Konstanz jahrelang mitverfolgte. Und sie fügt an: „Ich habe großen
Respekt vor der Leistung.“ Helmut Schwanenberg freut sich besonders über die
Sanierung: Der 79-Jährige ist als Junge noch mit der Fähre gefahren, die von
1928 bis 1963 auf dem See zwischen Konstanz und Meersburg pendelte. Die wenigen
überdachten Sitzplätze, auf denen auch schon der ehemalige Bundeskanzler
Konrad Adenauer saß, seien meist belegt gewesen. Schwanenberg habe deshalb bei
Regen und Wind Schutz hinter Autos gesucht. Dennoch sei er gern mit der Fähre
gefahren: „Das war immer ein Erlebnis.“
Otto Carolus kennt die alte Fähre ganz genau.
Der 85-Jährige war auf ihr Schiffsführer, er ist der einzige noch lebende. Er
lenkte das Schiff auch bei der Sonderfahrt für Adenauer. Carolus bediente im
engen Führerhaus stehend das Steuerrad aus Holz. Er manövrierte das Schiff nur
mit Hilfe eines Kompasses und einer Stoppuhr, die die Zeit der Überfahrt maß.
Bei Nebel orientierte er sie am Ton des Horns im Hafen. Wenn er bremsen oder
beschleunigen wollte, gab er mit einem Telegrafen Signal an den Maschinisten,
der die Motoren auf Touren brachte oder stoppte.
Und auch Eugen Schollenberger kennt die Fähre
sehr gut. Er arbeitete auf dem Schiff, als es bei den Stadtwerken ausgemustert
war und unter dem Namen Lukas als Bagger- und Arbeitsschiff diente.
Schollenberger hat von ihm aus Dalben gelegt und Stege gebaut, etwa den an der
Mainau oder den unterhalb der Bodenseetherme. Später half er bei der Sanierung
der historischen Fähre.
Bürgermeister Kurt Werner dankte den „idealistischen“ Bürgern am Bodensee für ihr Ringen um den Erhalt der Fähre. Und er erinnerte an die große Geschichte des Bodensees und seines Kulturraums als Drehscheibe für den Ideen- und Warentransfer. Ihr waren am Denkmaltag Vorträge und Führungen an sieben Stationen gewidmet. Eine davon ist die Lorettokapelle, die am Jakobs-Pilgerweg liegt. In ihr wird besonders Maria verehrt, darauf deutet ein ausnahmsweise im Freien ausgestelltes Bild hin. Es zeigt, wie zwei Konstanzer bei einem Unglück zwischen die Räder der früheren Mühlen im Seerhein stürzen, aber dank der Hilfe Marias unverletzt aus dem Wasser steigen können.
(Claudia Rindt/Südkurier v. 13.09.10)
Der frühere Kreisarchivar Dr. Elmar L. Kuhn,
der sich schon 1988 durch seinen Beitrag im Band 3 der „Langenargener
Geschichte(n)“ als profunder Kenner der Langenargener Schifffahrts- und
Handelsgeschichte ausgewiesen hat, referierte unter dem Titel „Vom Lastschiff
zum Lustschiff“ über den Wandel in der Schifffahrtsgeschichte in Langenargen.
Für viele sicher interessant ist die Erkenntnis, dass es lange vor der heute
viel zitierten Globalisierung bereits globale Folgen aufgrund regionaler
Entwicklungen gab.
Bevor sich die Eisenbahnen etablierten, war
der Bodensee eine sehr bedeutende Verkehrsfläche. Gerade die Schweiz bezog ihr
Getreide aus Oberschwaben. Das änderte sich radikal mit dem Wandel der
Verkehrsnetze. Denn der hatte zur Folge, dass die Schweiz nun ihr Getreide
billiger aus Ungarn, Russland und später sogar aus Übersee bezog und dass
Oberschwaben sein Korn nun nach Norddeutschland lieferte. Der See wurde zum
trennenden Element, bis er vom Tourismus entdeckt wurde: Seit 1870 werde
Langenargen als Sommerfrische und Badeort genannt, besonders für Menschen, die
Ruhe suchen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte es
noch Lastsegelschiffe gegeben, die vor allem Holz, Kies und Sand
transportierten. Um 1920 seien die letzten verschwunden. Die Zäsur war mit dem
ersten Bodenseedampfschiff gekommen – schon ein Jahr später hatten sich die
Kornfuhren um zwei Drittel vermindert.
Noch im 18. Jahrhundert waren die
Lastsegelschiffe überall auf dem See unterwegs. Bis zu hundert Tonnen
transportierten die rund 30 Meter langen Lädinen, in Langenargen überwogen die
rund 20 Meter langen Segner, die bis zu 60 Tonnen laden konnten.
Ihre flache Bauweise mit dem rechteckigen
Segel am bis zu 18 Meter hohen Mast ließ sie leicht kentern, dafür konnten sie
dank des flachen Bodens überall auf Strand auflaufen, denn schützende Häfen
gab es keine, nur Steindämme. Der Ruf nach besserem Schutz für die Häfen zog
sich durch die für Langenargen eher unglücklich verlaufende
Schifffahrtsgeschichte. Obwohl ihre natürliche Lage günstige Voraussetzungen
bot, schaffte es die ehemalige Montfortstadt nicht, gegen die Reichsstädte Überlingen,
Buchhorn oder Lindau anzukämpfen. Die etablierte Konkurrenz war einfach zu
stark.
Der Dauerkonflikt mit österreichischen Beamten machte zu schaffen, Buchhorn holte gewaltig auf. Als von hier aus 1824 der erste Dampfer in See stach, wurde eine Neuorientierung angestoßen.
(Helmut Voith/Schwäbische Zeitung v.
13.09.10)
Der Erste Bürgermeister der Stadt, Dr. Stefan
Köhler brachte es in seiner Begrüßung unter: Die Stadt Friedrichshafen hat so
viel mit dem Leitthema des „Tages des offenen Denkmals“ zu tun, wie kaum
eine andere Stadt im Land. 1824 fuhr von hier aus das erste Dampfschiff, die „Wilhelm“,
auf dem Bodensee, 1847 wurde das erste Teilstück der Südbahn
Friedrichshafen-Ravensburg eröffnet, die erste Fähre fuhr aus Friedrichshafen
ab, das erste Luftschiff und an Pionieren im Motorenbau und Verkehrswesen hat es
mit berühmten Namen wie Maybach und Dornier ebenfalls einiges zu bieten – und
das bis heute.
Mit dem Thema „Kultur in Bewegung –
Reisen, Handel und Verkehr“ bot sich dann auch für die beiden folgenden
Redner der feierlichen Eröffnung unter dem Zeppelin-Nachbau im Museum genügend
Stoff, zwischen den von Köhler angesprochenen Aspekten und allgemeinen
Betrachtungen zum Thema Denkmal zu philosophieren.
Für Staatssekretär Richard Drautz, der die
Eröffnung vornahm, bedeutet Denkmalpflege nicht nur eine höchst wichtige
Arbeit für Historiker, sondern ist auch Werkzeug zur Förderung des regionalen
Mittelstandes. Immerhin habe das Land allein im vergangenen Jahr 152 Millionen
Euro für die Instandsetzung von Denkmälern ausgegeben, Geld das der regionalen
Wirtschaft zu Gute komme, da rund 80 Prozent der Kosten Handwerkslöhne seien.
Mit Sonderprogrammen fördere das Land den denkmalgerechten Umbau
erhaltenswerter Gebäude zu neuen Nutzungszwecken, was zum einen die
Infrastruktur in den Städten verbessere, andererseits aber auch die Denkmäler
erhalte.
Denkmäler helfen der Konjunktur
8,5 Millionen Euro würden für Forschung und
Publikationen ausgegeben. Erhaltung und Sanierung von Denkmälern würden auf
regionaler Ebene organisiert und bereicherten dort auch die Konjunktur. Dass
Denkmalschutz nicht immer nur eine teure Belastung für die Besitzer der
besagten Gebäude sei, zeige die hohe Fördersumme, mit der sich das Land an den
Kosten beteilige. „Denkmäler brauchen Akzeptanz“, sagt Drautz und führt
als positive Beispiele Bürgerinitiativen an, wie die, die sich in Konstanz für
die Erhaltung der Bodenseefähre Meersburg ex Konstanz eingesetzt habe.
Der neue Leiter des Landesamtes für
Denkmalpflege zeigte dann in einem kleinen Exkurs, dass Denkmalpflege aber auch
höchst aktuell sein kann. Am Beispiel „Stuttgart 21“ zeige sich, dass Denkmäler
immer wieder den Bedürfnissen der Ökonomie und Zeit angepasst werden müssten.
Dass während dieser Exkursion der Ton aus den Lautsprechern plötzlich zu einem
unverständlichen Rauschen wurde, quittierten die versammelten Gäste aus Land
und Stadt mit fröhlichem, Gelächter. Inhaltlich ließ sich Dr. Wolf nicht
weiter auf dieses heiße Thema ein. Statt dessen leitete er über auf einen
Vortrag von Prof. Hermann Bausinger, dem ehemaligen Leiter des Ludiwg-Uhlands-Institutes
für Empirische Kulturwissenschaften der Universität Tübingen. Unterhaltsam
und an keiner Stelle akademisch in die Länge gezogen zeigte Prof. Bausinger mit
dem Wandel der Last- zur Lustreise, wie spannend, kurzweilig und
abwechslungsreich, bisweilen gar humorvoll Denkmäler, ihre Geschichte und die
sie umgebenden Themen sein können. Von Reisen aus wirtschaftlichen Zwängen
heraus, den Gesellenfahrten, den Reisen der Schwabenkinder über die Anfänge
des Tourismus, der den eher wohlhabenden Menschen vorbehalten war, bis hin zu
Fragen des Massentourismus, der feinen Unterscheidung zwischen Touri und Tourist
oder der unklaren Zukunft des Reisens philosophierte Bausinger und setzte an
einigen Stellen seine Akzente.
Sehenswürdigkeiten, die wir auf unseren
Reisen besuchen würden, seien in der Regel immer Denkmäler, Denkmäler
hingegen seien ausnahmslos Sehenswürdigkeiten.
Durch Reisen geriet und gerät Kultur in
Bewegung. Kultureller Austausch sei immer wieder durch die Reisen von Künstlern
und Architekten genährt worden. Es kommt aber auch Bewegung in die Kultur,
deren Motor unter dem Strich der Tourismus ist. Und immer wieder stehen die
Denkmäler als Gegengewicht zu „wildgewordenen Baulöwen“, haben ihre
kulturelle Bedeutung, die niemals unerkannt sein dürfe.
Dass während seiner Ausführungen über die
Walz der Handwerks-Gesellen und der wirtschaftlichen Reise-Historie just ein
wandernder Geselle am großen Schaufenster des Zeppelin Museums vorbeischritt
und einen Blick auf die Versammelten warf, darf wohl auch so etwas wie dem
Zufall zu geschrieben werden.
(Ralf Schäfer/Schwäbische Zeitung v. 13.09.10)