Es gab Zeiten, da lag im Bregenzer Hafen eine mächtige Kriegsflotte. Kaum vorstellbar, aber wahr. Nur muss man dazu rund 1700 Jahre in die Geschichte abtauchen. Damals herrschten die Römer am Bodensee, Bregenz hieß noch Brigantium. Bald kamen jedoch die Alemannen. Sie sind nach wie vor da. Einen Hafen gibt’s auch noch. Und Kriegsschiffe? Vielleicht auf den ersten Blick. Am Kai liegt die „Sonnenkönigin“, das größte Schiff des Bodensees, eine modernistische Erscheinung. Manchen erinnert sie durch ihre gewaltige Bauweise an einen Panzerkreuzer. Den Ausdruck hat der Volksmund zum Teil übernommen. Hermann Fabach hält das Schiff dagegen einfach für einen Schandfleck: „Die Sonnenkönigin versaut den Blick auf den erneuerten Hafen.“ Und dies schmerzt den Rentner. Schließlich ist am Bregenzer Tor zum Schwabenmeer nun fast alles neu. In eineinhalb Jahren haben die Hafen GmbH, die Stadt Bregenz und die Vorarlberg Lines gut 15 Millionen Euro verbaut.
„Die Investition hat sich gelohnt“, so Fabach. Sein Blick schweift über Molen und Stege. Er bleibt an der „Welle“ hängen. Das Gebäude dient der Passagier-Abfertigung. Auffällig dabei: das Dach, geschwungen wie eine Bodenseewelle. Daher auch der Name. Als aber die ersten Pläne publik geworden waren, hatte es in Bregenz manchenorts noch geheißen, der neue Bau werde eher wie ein umgefallenes Fragezeichen wirken. Eine Volksabstimmung wurde initiiert. Zwei Drittel stimmten für die „Welle“. Der Ärger war damit aber nicht vorbei, vielen Alteingesessenen schwoll der Kamm. So sahen einige den Baumbestand am Hafen in Gefahr. Er war immerhin gepflanzt worden, als über Österreich noch Kaiser Franz Joseph II. herrschte. Nicht jede Platane überlebte die Hafenerneuerung. Weshalb 45 neue Bäume gepflanzt wurden. Das grüne Gewissen war befriedigt. Der nächste Kampf wartete jedoch schon. Dieses Mal ging es um das Fahnenrondell beim Hafen.
Das flatternde Ensemble stammte zwar erst aus der Nachkriegszeit, hatte sich aber im Bewusstsein der Bregenzer zu einem Symbol ihrer Stadt entwickelt. Viele wollten die Fahnen-Runde behalten. Das Vorarlberger Architektenteam mit Sprecher Elmar Nägele ließ sich jedoch nicht beirren. Das Rondell ist weg. Jetzt gibt es Platz zum Flanieren. „Ist doch toll“, freut sich Judith Heddicke. Sie stammt aus Sachsen-Anhalt und hat weit ins Frühjahr hinein in einem Vorarlberger Skigebiet gearbeitet. Vor der Heimfahrt genießt sie noch einige Tage am Bodensee. Besonders gelungen findet Judith Heddicke die Richtung Sonnenuntergang ausgerichteten Sitzstufen an der Westmole: „Da kann man abends in die Nacht hineinträumen.“
Bis jetzt sehen die weißen Sitzstufen noch manierlich aus – im Gegensatz zum Seepavillon weiter links. Ihn haben Schmierfinken vollgesudelt. Am neuen Leuchtturmgestell auf der Molenspitze fängt dies auch schon an. Ein „Yoshi Yogibär“ hat Spuren hinterlassen. Zudem treffen sich dort offenbar gerne Türken: „Achmed“, „Hamed“, „Murat“, etc steht eingekritzt im Metall. „Ärgerlich“, sagt Stefan Fußenegger, Pächter des Eispavillons am See. „Aber was willst Du machen?“ Er freut sich lieber über die Neugestaltung: „Wir haben den schönsten Hafen des Bodensees bekommen.“ So weit der Lokalpatriotismus. Mit dem alten Hafen war dagegen schon länger kein Staat mehr zu machen. Es galt zum Beispiel als ungünstig, dass die Passagierschiffe weit abseits des Flanierpublikums anlegten. In keinen anderen Bodenseehafen ist dies der Fall, in Bregenz jetzt auch nicht mehr.
Anlegen, wo Menschen sind
Die Schiffe legen nun an, wo Menschen sind. Damit sich niemand erschreckt, wird die umstrittene „Sonnenkönigin“ künftig etwas in den Hintergrund gerückt. „Weg von Pier 1“, bestätigt Jakob Netzer, Geschäftsführer der Hafen GmbH. Selbst die örtliche Zeitung hatte dies vehement gefordert. Dafür läuft demnächst eine Augenweide zum ersten Mal in den neugestalteten Hafen ein, der Schaufelraddampfer „Hohentwiel“. Er gilt als das eleganteste Schiff des Sees. Am 9. Mai ist es soweit. „An einem neuen Steg anzulegen, ist schon spannend“, sagt ihr Kapitän Adolf Franz Konstatzky. Bei der Premiere wird er auch nicht seinen Steuermann werkeln lassen: „Zu diesem Anlass nehme ich das Steuer selber in die Hand.“
(Uwe
Jauß/Schwäbische Zeitung v. 20.04.10)