Das
Projekt Bergung des Schiffswracks Jura ist ins Stocken geraten
Das
älteste Dampfschiff Europas rostet auf dem Grund des Bodensees vor sich hin.
Die Bergung der «Jura» wurde
verschoben. Dafür weckt ein Interreg-Projekt neue Hoffnungen.
Es
ist stockdunkel. Tief unter Wasser liegt das Riesending, vorne weit
aufgeschlitzt. Das Video eines Tauchgangs an der «Jura» bietet Szenen wie aus
einem düsteren Krimi, gedreht in den endlosen Tiefen des Ozeans. Das ist aber
nicht der Ozean. Die «Jura» ist vielmehr das wohl bekannteste Schiffswrack der
europäischen Binnengewässer. Seit über 140 Jahren liegt der Raddampfer auf
dem Grund des Bodensees, rund ein Kilometer vor Bottighofen.
Zerstört und geplündert
Der
Schornstein ist vom Rost zerfressen. Nicht so der goldene Schriftzug «Jura».
Das Ganze hat etwas Mystisches an sich und ist nicht ungefährlich: Mehrere
Taucher sind tödlich verunglückt. Seit zwei Jahren ist Tauchen nur noch mit
Sondergenehmigung möglich. «Trotzdem sind wöchentlich 50 Taucher da unten», weiß
Otto Egloff, Präsident der Stiftung «Historische Schifffahrt Bodensee». Die
schwarzen Schafe unter den Tauchern waren ihm ein Dorn im Auge. «Es wurden
Planken abgerissen, um hineinschwimmen zu können.» Seit der Kanton das Wrack
unter Denkmalschutz gestellt hat, haben die Plünderungen aufgehört.
Flott in zehn Jahren?
Otto
Egloff taucht nicht. Er hat das Wrack nur auf Fotos gesehen und sagt: «Ich will
die <Jura> lieber auftauchen sehen, als dass ich da runtertauche.» Dass
die Hebung technisch möglich wäre, wurde bereits vor zwei Jahren abgeklärt.
Gefehlt hat das Geld. Das Projekt wurde immer wieder verschoben. Und der
Enthusiasmus von damals scheint etwas abgeflacht. «Aber wir sind nicht
desillusioniert», betont Egloff. Er träumt nach wie vor davon, an der
Internationalen Kreuzlinger Gartenausstellung 2017 mit der «Jura» Touristen
herumchauffieren zu können. Dazu müsste die «Jura» nicht nur heraufgeholt,
sondern auch fahrtauglich gemacht werden. Die Kosten wurden schon auf 15 Mio.
Franken geschätzt. «Ein Nachbau wäre vermutlich halb so teuer», sagt Egloff.
Konkrete Pläne gibt es aber nach wie vor keine.
«Jura»-Volksaktie
geplant
Mangels
Geld entstand vor zwei Jahren die Idee einer Aktiengesellschaft. Eine «Jura»-Volksaktie
existiert zwar bis heute nicht. Aber die Idee entwickelt sich zu einer
international abgestützten Lösung: Rund um den See gibt es laut Egloff eine
viertel Million Wassersportler. «Für zehn Franken könnte jeder Mitglied
unserer Dampfreederei werden», erklärt Egloff. Die Stiftung konzentriert sich
auf interessierte Leute, nachdem sie bei der Regierung vergeblich anklopfte. «Hoch
interessiert», habe der Stadtrat Kreuzlingen einst gesagt. Passiert sei nichts.
Unterdessen wurde er neu zusammengesetzt. Und die Stiftung hat bereits einen
Antrag gestellt: «Wir möchten wissen, welche Politik angestrebt wird», sagt
Egloff.
Konstanz weckt Hoffnungen
Die
Konstanzer sind schneller. Zwar interessieren sie sich nicht direkt für die «Jura»,
sondern für ein geplantes Interreg-Projekt für historisch interessante
Schiffe. Doch dazu gehört als ältestes Dampfschiff Europas auch die «Jura».
«Die Chancen sind intakt und die Volksaktie die richtige Lösung», sagt Egloff.
Die Stiftung soll international werden mit Sitz in Konstanz und Österreich.
Aber auch diese Pläne drohen zu stocken. Schuld sind die Wirren um die
Schweizerische Bodenseeflotte. Laut Egloff sind die Konstanzer zurückhaltender
geworden und warten ab, wie sich die Zukunft mit den neuen Inhabern gestaltet.
Die
«Jura» rostet unterdessen vor sich hin, langsam, da das Wasser in einer Tiefe
von 38 Metern sauerstoffarm ist. Darum ist für Egloff klar: «Wir holen die
<Jura> erst rauf, wenn wir wissen, was mit ihr geschieht.» Er sei guter
Hoffnung. Ansonsten bleibt immer noch die Möglichkeit eines Krimis. In Egloffs
Gedanken existiert dieser bereits: «Die Tötung des Matrosen von damals wurde
nie aufgeklärt.»
Stichwort
Dampfschiff
Jura
Die «Jura» ist das älteste Dampfschiff Europas. Seit über 140 Jahren liegt es rund 1 km vor Bottighofen auf Grund des Bodensees. Das bayrische Dampfschiff Jura ist damals, am 12. Februar 1864, innerhalb von nur vier Minuten gesunken, nachdem es vom Schweizerischen Dampfer Zürich gerammt worden war. Ein Matrose verlor das Leben. Die Passagiere und der Rest der Besatzung retteten sich auf die «Zürich». Von der Ladung, Seiden- und Baumwollstoffe, kam ein großer Teil schwimmend an die Oberfläche, während angeblich rund fünf Tonnen Eisenwaren und das Gepäck der Passagiere mit dem Schiff untergingen. Das Schiffswrack im Bodensee ist heute bei Tauchtouristen ein beliebtes Ziel.
(Annina
Flaig/St. Galler Tagblatt v. 11.06.07)