Von purer Schreibkunst 

Ausverkauft bereits Monate vor Beginn des Bodenseefestivals, bereits zu Jahresbeginn kaum mehr Chancen auf eine Karte - da kann es sich eigentlich nur um eine Veranstaltung handeln: das Literaturschiff. "Wenn ich nächstes Jahr wieder mitfahren möchte, muss ich da gleich nachher, nach der Landung in Friedrichshafen meine Kartenbestellung aufgeben?", lautete die bange Frage einer Passagierin. Durch Zufall hatte sie einen der begehrten Plätze ergattert - nach einem vergeblichen Versuch im Januar.

Kein Wunder, dass sich alle Welt um die wenigen Plätze auf dem Dampfschiff "Hohentwiel" reißt: Literaturschiff, das ist ein kulturelles Ereignis der besonderen Art. Wo das Seeufer gerade noch in Sichtweite ist, man still auf dem Wasser dahinschaukelt, umgeben vom glitzernd polierten Messing, den glänzenden Edelholz-Böden des Salondampfers "Hohentwiel" - da beginnt die Welt der Phantasie, und damit auch die Welt der Literatur. Drei Autoren, die mit ihren Werken in jüngerer Zeit von sich Reden gemacht haben, waren beim mittlerweile 15. Literaturschiff eingeladen. In Lea Singer, Christof Hamann und Ulrich Peltzer war dabei zugleich für eine Mischung gesorgt, die den Kulturpassagieren große Abwechslung garantierte.

Dem extravagant-edlen Ambiente an Bord der "Hohentwiel" entsprach dabei besonders das Sujet von Lea Singers Roman "Vier Farben der Treue". Auf Barockschloss Leopoldskron bei Salzburg, dem Anwesen des Theaterregisseurs Max Reinhardt, verbringen im Jahr 1935 bekannte Kunstgrößen einen in mehrfacher Hinsicht "heißen" Sommer. Es entwickelt sich ein beziehungsreiches erotisches Durcheinander, das auch noch historisch belegt ist.

Um Abenteuer und Entdeckung, um die Frage, was über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg innerhalb einer Familie an Verbindendem entdeckt werden kann - und nicht zuletzt um die Entdeckung des Usambaraveilchens: Darum geht es in Christof Hamanns Roman "Usambara". Im literarisch wie stofflich größten Rahmen bewegte sich auf dem Literaturschiff Ulrich Peltzer. Mit "Teil der Lösung" hat er einen enorm spannenden Stadtroman über Berlin geschaffen, der jedoch bald in europäische Dimensionen vordringt. Eigenartig, seinen Schilderungen Kreuzberger Aktivistentums auf der hochglanzpolierten "Hohentwiel" zu lauschen.

Eine längere Besprechung der Lesungen auf dem Literaturschiff folgt.

(Clemens Haustein/Südkurier v. 05.05.08) 

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