«Es ging sensationell
schnell»
«Sensationell» ist ein Wort, das Erich Hefti
oft braucht, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Und man glaubt es ihm, wenn er
sagt, er habe «den besten Job, den man sich wünschen kann». Hefti strahlt und
schaut einem direkt in die Augen, die nicht den Hauch eines Zweifels an seiner
Begeisterung aufkommen lassen. Er müsste gar nicht mehr sagen, dass er die
langen Tage auf Deck und im Büro der letzten Jahre nicht ertragen hätte, wenn
er nicht «mit unheimlichem Herzblut» bei der Sache wäre.
Selbst die Ferien verbringt Hefti zuweilen auf
dem Schiff. Im vorletzten Jahr war er auf einer Kreuzfahrt von Genua nach Ford
Lauderdale in Amerika. «Ich wollte das schon lange machen. Es war großartig.»
Die Hurtigrute in Norwegen kennt er ebenfalls als Passagier des Postschiffes.
Der 53-Jährige kann aber auch ohne Wasser
sein. «Ich bin ein begeisterter Töfffahrer.» Im letzten Jahr fuhr er mit
Kollegen auf einer Harley von Chicago nach Los Angeles. «Und zwei Wanderungen
pro Jahr in den Bergen müssen sein.»
Hefti wollte ursprünglich gar nicht zur See
fahren. «Das war kein Bubentraum.» Er machte eine Lehre als
Maschinenmechaniker bei Saurer und war zufrieden mit der Stelle, die er in Arbon
hatte. Aber sein Vater drängte ihn, zur Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt (SBS)
zu wechseln. «Er sagte mir immer wieder:
Der Sohn gab dem Drängen des Vaters schließlich
nach und heuerte 1981 bei der SBS an. «Ich ging mit gemischten Gefühlen»,
erinnert sich Hefti. Doch er sollte den Schritt nicht bereuen. «Es war ein
guter Entscheid», sagt er heute. «Ich bin meinem Vater immer noch dankbar,
dass er nicht locker ließ.»
Zuerst arbeitete Hefti als Handwerker in der
Werft beim Schiffsmotorenunterhalt. Da kannte er sich aus. Bei Saurer hatte er
nach der Lehre dreieinhalb Jahre an Lastwagenmotoren herumgeschraubt.
Es war der Anfang einer steilen Karriere. «Sie
nannten uns Senkrechtstarter», sagt Hefti und lacht. In nur sechs Jahren
durchlief er die gesamte Ausbildung vom Matrosen über den Kassier und
Maschinisten zum Kapitän. Normalerweise dauerte es 10 bis 15 Jahre, bis man
zuoberst im Rang stand. «Es gingen zu dieser Zeit viele alte Kapitäne in den
Ruhestand. Darum ging alles so schnell», erklärt Hefti. Mit 29 Jahren machte
er bereits die Schiffsführerprüfung. Sein Lehrmeister war der Vater. «Ich
habe viel gelernt», blickt Hefti zurück.
Dieses Wissen gibt er heute selber weiter.
1986 wurde Hefti zum Oberkapitän der SBS ernannt. Er ist seither für die
theoretische und praktische Ausbildung aller Chargen verantwortlich. Dazu macht
er den Fahrplan und kümmert sich um die Belange der Werft.
Mit dem Schiff fährt Hefti heute nur noch
selten. Umso mehr genießt er es, auf der Brücke zu stehen, wenn sich die
Gelegenheit ergibt. Vor allem im Sommer, aber auch nachts steht er gerne am
Steuer. «Das ist so romantisch.»
Doch es gibt auch Tage, da ist die Arbeit des
Kapitäns keine reine Freude. «Nebel und Sturm sind trotz neuester technischer
Hilfsmittel bei der Navigation eine riesige Herausforderung geblieben», sagt
Hefti. Unangenehm sei es vor allem, wenn man nicht einmal mehr den Bug sehe und
sich ganz aufs Radar verlassen müsse.
Stürme machen Hefti nichts aus. Ausgerechnet
in den Ferien rebellierte aber auch sein Magen einmal. Er fuhr in Brasilien mit
einem 20 Meter langen Schiff zum Tauchen raus.
«Wegen des hohen
Wellengangs wurde mir plötzlich schlecht, was mir peinlich war, weil alle
wussten, dass ich Kapitän bin», erinnert sich Hefti.
An der Arbeit an Bord gefällt ihm, dass sie
so vielseitig ist. «Die Abwechslung ist groß.» Denn die aktuell zehn
ausgebildeten Kapitäne bei der SBS haben nicht immer das Kommando, sondern
stehen bei Bedarf auch im Maschinenraum oder kontrollieren Billette. «Den
meisten gefällt der Kundenkontakt», sagt Hefti.
Er sage den angehenden
Schiffsführerin immer: «Ihr müsst Menschen mögen, sonst seid ihr am falschen
Ort.»
Heute sei der Kapitän viel stärker Gastgeber
und Gesellschafter als früher. «Man muss die Passagiere begrüßen und sich
vor allem bei Charter- und Sonderfahrten unter die Gäste mischen.» Für Hefti
selber sind solche Auftritte nicht Pflicht, sondern Kür. «Ich mache es gerne.»
Hefti ist schon am Steuer von vielen Schiffen
gestanden. Er kennt die Fähre Tabor in
Konstanz ebenso wie die Katamarane und die «Sonnenkönigin».
Reizen würde ihn einzig noch, mit der «Austria»
zu fahren. «Sie ist das schnellste Schiff auf dem Bodensee.» Die «Hohentwiel»
ist kein Thema für ihn. «Ich habe kein Patent für Dampfschiffe.»
Hefti sagt das nicht mit Bedauern. «Es war
mir in den letzten 30 Jahren nie langweilig. Die Zeit ging sensationell schnell
vorbei.»
Der Verkauf der SBS habe in der Belegschaft
Unsicherheit ausgelöst, erinnert sich Erich Hefti. Diese habe sich erst gelegt,
als klar gewesen sei, wer der neue Besitzer ist. Bei den SBB sei nicht alles
schlecht gewesen, betont Hefti. «Aber die Firma war zu wenig auf
Wirtschaftlichkeit getrimmt.» Und die SBB hätten auch kaum investiert. Die
Arbeit von Sanierer Benno Gmür in den letzten beiden Jahren sei existenziell für
den Betrieb gewesen. «Es war die entscheidende Weichenstellung. » Die SBS sei
jetzt an einem Punkt, «den wir in den letzten 20 Jahren nicht erreicht haben».
(Markus Schoch/St. Galler Tagblatt v.
05.02.11)