Gebettet in Samt und sanfte
Wellen
Draußen
hätte es schöner nicht sein können: Ein Himmel, der ein ganzes Kaleidoskop an
Farben offerierte, der Fahrtwind noch warm und das Schweizer Ufer in guter
Sichtweite. Drinnen, eingebettet in weiche Samtpolster und nur sanft
schaukelnden Wellen, begaben sich die Gäste der „Hohentwiel“
auf eine literarische Reise, in deren Zentrum die drei Autoren Anna Katharina
Hahn, Reinhold Neven Du Mont und Robert Löhr jeweils eine kleine Vorstellung
aus ihren Werken gaben.
Schillerndster
und unterhaltsamster Autor war sicherlich der letztgenannte, Robert Löhr, der
trotz seines jugendlichen Alters (Jahrgang 1973) bereits eine beachtliche Vita
aufzuweisen hat. Als Mitglied einer Theatergruppe, mit vielfältigen
journalistischen Tätigkeiten für diverse Medien, in der Tätigkeit als
Puppenspieler – und das sind nur einige seiner Stationen. Dazwischen schreibt
Löhr historische Romane wie „Das Erlkönig-Manöver“.
Hier
vereint er in augenzwinkernder Manier solch illustre Herren wie Johann Wolfgang
von Goethe, Friedrich Schiller, Achim von Arnim, Heinrich von Kleist, Alexander
von Humboldt und Dame Bettina Brentano. Diese treffen sich jedoch nicht in einem
gepflegten Salon zum literarischen Zirkel, sondern sind im Dienst des Fürsten
Karl August quer durch Deutschland unterwegs, um keinen geringeren als Napoleon
zu stürzen. Wie sie sich unsäglich betrinken, unnötig duellieren und
schikanieren, von einem Missgeschick ins andere stolpern – dies schilderte der
gebürtige Berliner in seiner Lesung auf ausgesprochen kurzweilige Weise. Mit
sprühender Lust am Fabulieren und mit einer immensen Begeisterung, literarische
Zitate und Anspielungen in seinen Text einzuflechten.
Geschickt unterstützt wurde der Vortrag durch
Löhrs große Begabung, die einzelnen Rollen mimisch und stimmlich voneinander
abzugrenzen: Einen weinerlich-demütigen Kleist im Dialog mit dem souverän-brummenden
Weimarer Geheimrat, dazu Humboldts ungebrochenen bis teilweise unnötigen
Aktivismus zu jeder Tageszeit. Herrlich. Robert Löhr wird mittlerweile als
„kleine literarische Sensation“ gefeiert, und dies in der Nische des
literaturhistorischen Unterhaltungsromans sicherlich nicht zu Unrecht.
Kontrastreich die weiteren Autoren: Die
studierte Germanistin und Anglistin Anna Katharina Hahn, Jahrgang 1970,
entwickelte in ihrem neuen Roman „Kürzere Tage“ eine Bestandsaufnahme einer
Gesellschaft, die sie am geographischen Beispiel Stuttgart festmachte und dort
einige Familienstrukturen einander gegenüberstellte: Die junge liebende Mutter
Judith, die von nächtlichen Ängsten getrieben wird, dann der zwölfjährige
Marco, der unter seinem brutalen Stiefvater zu leiden hat ebenso wie Luise, die
sich von ihrem verstorbenen Mann verabschiedet. Hahn erzählte plastisch und
detailreich, wenngleich sie die Zuhörer in eine düstere Atmosphäre führte,
in der der menschliche Schein sich über das Sein zu erheben beginnt und an
Macht gewinnt. Keine leichte Kost, die da vom „Shooting Star der Saison“, so
der stellvertretender Kulturamtsleiter Franz Hoben, kam.
Wenn der Verleger selbst zu schreiben beginnt, dann heißt er Reinhold Neven Du Mont. Der langjährige Verlagschef des Kiepenheuer& Witsch-Verlags stellte seinen Roman „Die Villa“ vor, die Geschichte eines Sommers aus den Fünfziger Jahren. Wehmütige Rückblicke Roberts, die sich um die junge Elisabeth Lauterbach rankten. Mit wunderbarer Erzählstimme präsentierte Du Mont die Liebe Elisabeths und Roberts, die endete, ehe sie richtig begonnen hatte. Episodisch die Ereignisse um eine Flüchtlingsfrau und den polnischen Zwangsarbeiter Jurek in langen, gestalt- und fabulierfreudigen Sätzen. Knapp fünf Stunden dauerte die Fahrt. Doch Literatur auf dem Schiff – doppelt so schön.
(Eva-Maria Spindler/Südkurier v. 26.05.09)