Der "Vater" der Hohentwiel

Am Montag vor 20 Jahren trat Reinhard Kloser mit der restaurierten Hohentwiel die Jungfernfahrt an.

"Selbst als Schrotthaufen sah ich ihre Eleganz", erzählt Reinhard Kloser, der dem Charme des alten Schaufelraddampfers schon 1962 erlegen war. Die Herzensdame lag damals im Bregenzer Hafen am Reservepier. Ausgemustert, weil nicht mehr salonfähig und dann Jahrzehnte als Heim für den Bregenzer Segelclub zweckentfremdet. "Doch mich ließ der Gedanke an die stählerne Lady nicht mehr los", ist der 62- Jährige ehrlich, "seit diesem Zeitpunkt hatte ich den Traum, das königlich- württembergische Dampfschiff wieder über die Wellen gleiten zu sehen – und zwar wie damals 1913, als sie in Friedrichshafen vom Stapel lief."

Letzter Schaufelraddampfer

Für den Schifffahrts- Ingenieur, der durch den Suezkanal fuhr und den Panamakanal durchquerte, war der letzte Schaufelraddampfer am Bodensee stets präsent. Und bei jedem Heimatbesuch schaute er bei ihr vorbei. Auch sein erstes Rendezvous mit seiner späteren Frau Annelies führte zum alten Dampfer. Als 1984 die Verschrottung unweigerlich bevorstand, erwarb der Verein "Internationales–Bodenseeschifffahrtsmuseum e.V." die desolate Hohentwiel. Für Kloser die große Chance, seinen Traum zu realisieren. "Ich sah sie vor mir, fertiggestellt bis auf die letzte Schraube und in vollkommen neuem Glanz." Alle anderen jedoch schüttelten ob seiner Pläne den Kopf und nannten den Harder einen spleenigen Hasardeur. Schließlich hatte es bisher noch niemand geschafft, ein derart zerfallenes Wrack zu restaurieren. Weltweit nicht. Kloser hatte jedoch eine Geheimwaffe: seine uneingeschränkte Begeisterung für das Projekt. Damit wandte er sich auch 1984 an die Messe Friedrichshafen, die dem engagierten Visionär einen Beistelltisch unter der Rolltreppe zur Verfügung stellte. "40 Mitglieder konnte ich während der Tage werben", weiß er noch heute ganz genau. Schließlich waren es auch sie, die mit ihren Spenden die Restaurierung ermöglichten. Sein Enthusiasmus beeindruckte aber auch Firmenchefs. "In ihren Lehrwerkstätten wurden Spezialteile für die Antriebsanlage gefertigt", freut sich Kloser noch heute über die Unterstützung, "einen habe ich sogar derart fasziniert, dass er mir einen Generatorensatz im Wert von über 18.000 Euro schenkte."

Ehefrau mit im Boot

Allerdings unter seemännischem Einsatz. Was heißt: nächtliche Verhandlungen und ganz viel Rum. "Wir sind heute noch beste Freunde", verkündet Kloser augenzwinkernd. Annelies übernahm die Rückendeckung. Widerspruchslos räumte sie ihr Nähzimmer, um Platz für die Originalpläne von 1911 zu schaffen. Sie versorgte die erschöpften Handwerker, verwöhnte Skeptiker und erfüllte Gönnern jeden kulinarischen Wunsch. "Wir waren ein richtiger Familienbetrieb", lacht Kloser. Ob es Momente gab, an denen er am Erfolg zweifelte? "Die Erwartungshaltung war so groß, Zweifel hätte ich mir gar nicht erlauben können." Klar sei es ein großer Augenblick gewesen, als die Dampfmaschine zum ersten Mal angeheizt wurden und sich die Schaufelräder nach knapp 30 Jahren wieder drehten. Und ganz bestimmt auch ein bisschen Genugtuung. Apropos Drehen: Das tun sie bis heute, ohne technischen Defekt. Die Hohentwiel ist nämlich inzwischen rund sechs Mal um die Welt gefahren. "Ganz ehrlich", so Kloser, der jetzt sein Leben als Kapitän a. D. genießt: "Die Jungfernfahrt vor genau 20 Jahren war einer der größten Augenblicke für mich." Mit dem Kommando "Klar machen zum Auslaufen und dem Applaus der Ehrengäste wusste ich, wir gehen auf Erfolgskurs."

ZUR PERSON

Reinhard Kloser

Kapitän außer Dienst

Alter: 62 Jahre

Ausbildung: Maschinenbauer- und Schiffsingenieurstudium in Flensburg

Laufbahn: technischer Offizier, Restaurator der Hohentwiel

Familie: Annelies, 3 Töchter (Maiken, Maren und Kersten)

Verein: Mehr als 2500 Vereinsmitglieder sowie die Anrainerländer und - kantone unterstützten das Vorhaben tatkräftig und brachten rund 4,5 Millionen Mark für die originalgetreue Wiederherstellung auf. Ebenfalls für den Erfolg verantwortlich ist der Altlandrat Klaus Henninger mit seinem Engagement für den Verein.

(Vorarlberg Online v. 17.05.10)

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