Zuschauerjubel im strömenden
Regen
Die Hoffnung in der alten Reichsstadt hat sich erfüllt. Das neue Flaggschiff der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) heißt „MS Überlingen“.
Es war eine historische Stunde, als Oberbürgermeisterin
Sabine Becker der Magnum-Sektflasche Schwung in Richtung Schiffsbug gab, die
Buddel dort zerplatzte und zeitgleich die Schiffsmannschaft die glänzenden
Edelstahlbuchstaben enthüllte: „ÜBERLINGEN“. Die Außergewöhnlichkeit des
Augenblicks war den Bürgern der Stadt und den anderen Gästen aus der Region
sehr wohl bewusst. Sonst hätten sie es sich am Samstagnachmittag nicht in
dieser Masse angetan, in strömendem Regen bei fast eisigen Temperaturen zur
Schiffstaufe auf den Landungsplatz zu kommen. Würde das neue Flaggschiff der
Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) wieder ein „MS Überlingen“? So, wie es in
der Tourismusstadt seit 2005 nach dem Abwracken des vierten
Bodenseeschiffes dieses Namens erhofft, gewünscht und auch gefordert worden
war? Nach 110 Jahren war damals eine Tradition zu Ende gegangen und das
schmerzte die stolzen Überlinger sehr.
Und so begrüßte Jubel und brausender Beifall
von der Seepromenade her den Namen. BSB-Geschäftsführer Stefan Ballier wusste
sehr wohl um die Befindlichkeiten der alten Reichsstädter, nannte das Tauffest
an diesem Ort einen „Beweis der Verbindung zwischen Bodenseeschifffahrt und Überlingen“
und erinnerte daran, dass „vor genau 115 Jahren unsere Vorfahren auch hier am
Landungsplatz standen“. Damals wurde der Salondampfer
(SD) „Stadt Ueberlingen“ getauft, der SD
„Stadt Ueberlingen II“ und zwei Motorschiffe führten die Tradition
fort. Und dann hatte er noch einen kleinen Trost für jene unterm
Regenschirmwald: Das prächtige Dampfschiff
Hohentwiel wurde 1913 ebenfalls an einem Regentag getauft und fahre heute
noch.
Auf die Notwendigkeit der
Flottenmodernisierung bei gleichzeitigem Erhalt von Traditionsschiffen ging
BSB-Geschäftsführer Jörg Handreke ein und die Spannung zwischen Erhalt des
Alten und der Notwendigkeit der Modernisierung war auch dem Konstanzer OB Horst
Frank in seiner Eigenschaft als Beiratsvorsitzender der BSB Thema. „Geschichte
alleine bringt uns nicht weiter“, sagte er und nannte das hochmoderne Schiff
eine „Demonstration, wie der Überlinger See weiter entwickelt“ wird. Zur
Erleichterung der Gäste hielten sich die Redner kurz und opferten dem Regen
freiwillig Manuskriptseiten, das miese Wetter verhinderte allerdings auch den
Auftritt der Stadtkapelle, die nach der kirchlichen Segnung „Großer Gott wir
loben Dich“ hätte begleiten sollen.
Doch vielen mag es in ihrer Begeisterung
gegangen sein wie Öswag-Werftchef Reinhard Suppan, der seine Sekretärin
zitierte: „Das ist kein Regen, das sind Glücksperlen.“ Nach dem Dank für
den Auftrag über acht Millionen Euro war er der Händler, dessen Herz weiter am
Verkaufsobjekt hängt: „Jetzt ist es Ihr Schiff, pflegen Sie es und Sie werden
viel Freude damit haben. Wie zum Taufakt, zu dem die Überlinger Dampfkapelle
„Hoch Badnerland“ spielte, fand sie auch zum Gast aus Österreich
augenzwinkernd den richtigen Ton: Den Deutschmeister-Regimentsmarsch.
(Martin Baur/Südkurier v. 21.06.10)