Zwei Schiffsmodelle von Frank Rheiner aus
Friedrichshafen sollen als Miniaturausgaben des 1864 vor Bottighofen versenkten Dampfschiffs
„Jura“ auf Werbetour geschickt werden. Der Bodensee-Dampfer ist in
seinem Bestand gefährdet, weshalb eine Thurgauer Stiftung ihn heben lassen
will.
Die „Jura“ soll wieder fahren: „Es ist
die einzige Chance, um das Wrack des versenkten Bodensee-Dampfers vor weiterer
Zerstörung und Plünderung zu bewahren“, unterstützt Modellschiffbauer Frank
Rheiner die Rettungspläne der Thurgauer Regierung und der in Tägerwilen ansässigen
Stiftung Historische Schifffahrt Bodensee. „So ein Juwel wie das Dampfschiff
Jura darf nicht länger auf dem Grund des Sees vermodern und von souvenirsüchtigen
Tauchern geplündert und zerstört werden!“ Der Dampfer sei „ein technisch
und historisch wertvolles Dokument der Zeitgeschichte“, begründet er sein
Engagement. Rheiner setzt deshalb seine ganze Hoffnung in die Stiftung, die das
Wrack heben und restaurieren wolle.
Im November 2007 hat sich der ehemalige
Uhrmacher und Betriebswirt Frank Rheiner an das kühne Schiffprojekt
herangewagt, von dem weder Bausätze noch Originalpläne existierten: Die
Stiftung zur Rettung der „Jura“ beauftragte ihn, zwei Schiffsmodelle zu
Werbezwecken anzufertigen. Dabei handelt es sich um ein stationäres und ein
wassertüchtiges, ferngelenktes Modell mit eingebauter Dampfmaschine. Rheiner
baut sie nach Plänen vergleichbarer Schiffe auf den Schweizer Gewässern im Maßstab
1:33. Als Grundlage dienen ihm auch Taucherfotos. „Sie helfen mir vor allem
bei den Details, die auf den Plänen nicht eingezeichnet sind.“
Inzwischen ist das Standmodell bis auf wenige,
aber laut Rheiner entscheidende Details, wie etwa eine Takelage oder
Positionslampen, fertig gestellt. Seine Detailtreue und Verspieltheit spiegelt
sich heute in dem 1,50 Meter langen und 30 Zentimeter breiten Standmodell
wieder: Türklinken und Scheiben(wischer) fehlen ebenso wenig, wie die
Rettungsringe, die Brücke und die winzige Schiffsglocke. In rund 2000
Arbeitsstunden hat Frank Rheiner bis jetzt einige Kilo Sperrholz, Messing,
Aluminium und Kunststoff zu einer Miniaturausgabe der „Jura“ verbaut.
„An unserem Ziel, die versunkene ‚Jura‘ für kommende Generationen zu bewahren, halten wir unvermindert fest“, betont der Tägerwiler Rechtsanwalt und Stiftungspräsident Otto Egloff. Unter seiner Federführung ist die in Tägerwilen ansässige Stiftung Historische Schifffahrt Bodensee im Jahr 2002 gegründet worden. Er wisse natürlich, so Egloff, dass ein solches Vorhaben vor allem auch eine Frage des Geldes sei. Schätzungen zufolge wären mehrere Millionen Franken nötig, soll die betagte Lady eines Tages – wie das aus dem Jahre 1913 stammende Dampfschiff Hohentwiel – ihre Runden auf dem Bodensee drehen können. Zurzeit prüfe die Stiftung gemeinsam mit dem Thurgauer Amt für Archäologie Szenarien zur Rettung des Bodensee-Dampfers. Möglich ist auch ein Nachbau des Orginals.
(Südkurier v. 11.04.09)
Schatz im
Bodensee
Am
12. Februar 1864 wurde der als ältester Dampfer Europas geltende
Schaufelraddampfer „Jura“ auf einer Kursfahrt nach Konstanz vom Romanshorner
Dampfer „Stadt Zürich“ vor
Bottighofen gerammt. Er sank innerhalb von vier Minuten. Ein Matrose verlor
dabei sein Leben. Dies war eine der größten Tragödien in der Geschichte der
Schifffahrt auf dem Bodensee. Der gleiche Schweizer Dampfer hatte 1861 bereits
das bayrische Dampfschiff „Ludwig I“
vor Rorschach versenkt.
1964
wurde das Wrack von Berufstauchern, die nach einem im zweiten Weltkrieg abgestürzten
Flugzeug gesucht hatten, bei Bottighofen in 40 Metern Tiefe gefunden. Seither
ist die „Jura“ Souvenirjägern und Vandalen ausgesetzt.
Im
Dezember 2004 hat die Thurgauer Regierung auf Betreiben der Thurgauer Stiftung
zur Rettung der „Jura“ das formalrechtlich herrenlose Schiff unter Schutz
gestellt. Dadurch soll die „Jura“ als kulturhistorisches Objekt vor weiterer
Beschädigung und Plünderung bewahrt werden. Verantwortlich ist das Thurgauer
Amt für Archäologie, das Dritten die Untersuchung und gegebenenfalls die
Bergung der „Jura“ gestatten darf.
„Eine Bergung ist
technisch möglich“
Eine Thurgauer Stiftung will den
historischen Dampfer „Jura“ wieder auf dem Bodensee fahren sehen. Ob ein
solches Vorhaben realistisch ist, sagt Hansjörg Brem (48), Leiter des
kantonalen Amtes für Archäologie in Frauenfeld.
Herr Brem, kann die „Jura“ ohne
Probleme gehoben, restauriert und so der Nachwelt erhalten werden?
Wenn man riesige U-Boote wie die russische
Kursk heben kann, dann ist heute auch eine Bergung der „Jura“ technisch und
mit entsprechendem finanziellen Aufwand möglich. Bei Kulturgütern stellt sich
bei allen Eingriffen vor allem die Frage der Nachhaltigkeit. Es geht darum, wie
man es langfristig hegt und pflegt. Das kann aber der Kanton Thurgau erst dann
schlüssig beantworten, wenn ein konkretes Projekt vorliegt. Tatsache ist, dass
die „Jura“ als „Museum unter Wasser“ eines der beliebtesten Tauchziele
im Bodensee darstellt. Und Tatsache ist ebenso, dass das Wrack gefährdet ist.
Wodurch wird das Schiffswrack in seinem
Bestand bedroht?
Gefahr besteht kurz- und mittelfristig vor
allem durch Eingriffe der Menschen. Sehr problematisch sind mechanische Beschädigungen
und Einträge von Luft ins Schiffsinnere. Langfristig ist die Sachlage unsicher:
Ohne menschliche Eingriffe könnte ein Teil des Wracks wohl im Sediment über
Jahrhunderte und Jahrtausende überdauern, höher liegende Teile würden aber
zerfallen. Grundsätzlich aber bieten unsere Seen Schutz und sind hervorragende
„Archive“ für Kulturgüter, wie es die „Jura“ darstellt.
Man müsste zuerst einmal eine genaue
Bestandsaufnahme haben. Es sind zwar dank des Engagements der Thurgauer Stiftung
Historische Schifffahrt Bodensee und einiger Taucher schon viele Dokumente zur
„Jura“ gesammelt und gesichtet worden. Fest steht, ein Nachbau müsste die
Schifffahrtskontrolle und diverse andere Prüfungen bestehen. Das Beispiel des
Bodenseedampfers „Hohentwiel“ zeigt, dass ein vollständiger oder
weitgehender Nachbau mit entsprechender Begeisterung und einem hohen
finanziellen Einsatz möglich ist. Ich bin durch Zufall auf eine Gruppe in
England gestoßen, die zurzeit eine riesige Dampflokomotive nachbaut. Gut Ding
will Weile haben: Die Lokomotive wird aber bald einmal fahren können.
(D. Burkhardt Rohrer/Südkurier v. 11.04.09)